© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Neun aus 630
Sie folgen ihrer Mutter in das Parlament, haben die meisten Erststimmen geholt oder wurden in Afrika geboren. Neun Abgeordnete, die etwas anders sind als die Masse ihrer Kollegen. Eine willkürliche Auswahl
(JF)

Spitzenreiter: Mit einem Anteil von 66,3 Prozent hat Franz-Josef Holzenkamp (CDU) die meisten Erststimmen aller Abgeordneten bei dieser Bundestagswahl bekommen (vor Stephan Mayer, CSU, aus Altötting). Seit 2005 sitzt der Agrarunternehmer (katholisch, verheiratet, vier Kinder) aus dem niedersächsischen Wahlkreis Cloppenburg-Vechta im Parlament. Allem Gerede um das Thema „Großstadt-Partei“ zeigt Holzkamps Ergebnis: „Schwarz“ wird vor allem dort gewählt, wo Deutschland ländlich, katholisch und kinderreich ist.

 

Familienbande I: Daß Söhne ihren Vätern in den Bundestag folgen, ist nicht ungewöhnlich, wie Thomas Dörflinger (CDU) und Christian von Stetten (CDU) zeigen. Nun macht es Philipp Lengsfeld (CDU, Landesliste Berlin) seiner Mutter Vera Lengsfeld nach und zieht erstmals ins Parlament. Der 40 Jahre alte promovierte Physiker war wie seine Mutter zunächst auch Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, die er aus Protest gegen den rot-rot-grünen Senat 2001 verließ. Als Schüler in Ost-Berlin war Lengsfeld 1988 während der sogenannten „Ossietzky-Affäre“ wegen regimekritischer Äußerungen auf Anweisung der DDR-Bildungsministerin Margot Honecker von der Oberschule geworfen worden.

 

Familienbande II: Ihrem berühmten Gatten (und ehemaligen Parteivorsitzenden) folgt Michelle Müntefering (SPD) als direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises Bochum/Herne II (Nordrhein-Westfalen). Müntefering kennt sich im Bundestag aus, denn die 33jährige Journalistin war von 2008 bis 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin ihres späteren Ehemannes Franz Müntefering. 2012 setzte sich Michelle Müntefering in einer parteiinternen Kampfabstimmung als Bewerberin für das Direktmandat gegen zwei Genossen durch.

 

Familienbande III: Neu im Bundestag sitzt auch Alois Rainer (CSU) für den Wahlkreis Straubing. Der gelernte Metzgermeister, mittelständische Unternehmer und Bürgermeister ist nicht der erste – und nicht der einzige – Parlamentarier seiner Familie: Vater Alois Rainer senior saß von 1965 bis 1983 im Bonner Bundestag, bekannter aber ist seine Schwester Gerda Hasselfeldt. Die CSU-Landesgruppenvorsitzende bekleidet einen der einflußreichsten Posten innerhalb der Union und kann künftig ihren „kleinen“ Bruder unter die Fittiche – oder ins Gebet – nehmen.

 

Anti-Sarrazin: Den Exoten-Stempel bekam der in Afrika geborene Karamba Diaby, der über die SPD-Landesliste Sachsen-Anhalt in den Bundestag zieht, schon frühzeitig aufgedrückt. Der promovierte Chemiker (verheiratet, zwei Kinder) hatte im Mai 2011 als Vorsitzender des „Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates“ eine Ausweitung des Volksverhetzungsparagraphen auf „rassistische und rechtspopulistische Äußerungen“ gefordert. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT meinte Diaby damals, es könne nicht sein, daß Menschen wie der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin mit ihren Thesen weiter die Gesellschaft spalteten.

 

Anti-Quote: Über die Landesliste der CSU schaffte es Katrin Albsteiger, Landesvorsitzende der bayerischen Jungen Union, in den Bundestag. Die 29jährige Politologin hatte sich in der Vergangenheit immer wieder auch mit der eigenen Parteiführung angelegt und war dafür von Horst Seehofer gemaßregelt worden. 2010 zog sie (damals unter ihrem Mädchennamen Poleschner) öffentlichkeitswirksam gegen die CSU-interne Frauenquote und deren Befürworterinnen in den Kampf, die sie als „undemokratisch“ und „diskriminierend“ geißelte.

 

Familienbande IV: Nicht nur leibliche, auch politische (Zieh-)Väter gibt es. Einer von ihnen ist Armin Laschet, Vorsitzender der NRW-CDU, im Fall der Neu-Abgeordneten Cemile Giousouf, die über die nordrhein-westfälische Landesliste in den Bundestag zieht. Die 35 Jahre alte Moslemin ist stellvertretende Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU und diente Laschet als Referentin in seiner Zeit als Integrationsminister. Vor allem aufgrund ihrer Merkmale „weiblich, migrantisch, muslimisch“ war Giousouf ein guter Listenplatz sicher. Die CDU-Basis in Hagen, der die aus Aachen stammende Parteifreundin von oben „empfohlen“ wurde, hatte zunächst skeptisch auf den Import reagiert.

 

Konservativ: Über die Landesliste der CDU Bremen zieht Elisabeth Baronesse von Düsterlohe Motschmann in den Bundestag ein. Die langjährige Bürgerschaftsabgeordnete und ehemlige Kulturstaatsrätin hat sich als kirchenpolitische Sprecherin einen Namen gemacht: als Kritikerin eines allzu blauäugigen Dialogs mit Vetretern islamischer Gemeinschaften sowie als engagierte Lebensschützerin. Die dreifache Mutter und Großmutter ist verheiratet mit dem konservativen Pfarrer und Publizisten Jens Motschmann.

 

Kommissar: Mit seiner Rolle als Ermittler in der ZDF-Serie „Der Alte“ erlangte er Berühmtheit, nun will Charles (Karl-Heinz) M. Huber politisch reüssieren. Über die Landesliste der hessischen CDU zieht der 1956 in München geborene Sohn eines senegalesischen Diplomaten und einer deutschen Mutter in den Bundestag. Huber (verheiratet, vier Kinder) war bis Oktober 2012 Mitglied der CSU, zuvor gehörte er lange Zeit der SPD an. Als sein thematisches Steckenpferd nennt er den Kultur- und Wirtschaftsaustausch mit afrikanischen Ländern.

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