© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Wahlpartygeflüster
(JF)

Fast wäre die Hauptperson zu spät zu ihrer eigenen Wahlparty gekommen. Berlin, Konrad-Adenauer-Haus, Sonntag nachmittag, Viertel nach fünf. Vor dem CDU-Hauptquartier wartet ein Pulk von Journalisten. Zwei Limousinen nähern sich dem Gebäude und halten vor der Einfahrt zur Tiefgarage. Im Fond des ersten Wagens sitzt Angela Merkel, neben ihr Büroleiterin Beate Baumann. Kameras klicken. Die Leute vom Sicherheitsdienst werden nervös: Warum öffnet sich das Rolltor denn nicht? Merkel und Baumann scheint das ganze eher zu amüsieren. Dann meldet sich eine Stimme aus dem Lautsprecher des Begleitfahrzeugs: „Bitte mal klingeln!“ Und siehe da, das Tor öffnet sich, die Kanzlerin entschwindet ins Gebäudes, wo sie sich später dann – wieder auf offener Bühne – als Siegerin feiern lassen wird. (vo)

Bei der FDP-Wahlparty im „Congress Center“ am Alex ist es mucksmäuschenstill, als die Balken der Prognose präsentiert werden. Blankes Entsetzen in den Gesichtern. „Jetzt ist alles vorbei“, sagt eine FDP-Anhängerin. Bereits nach zwei Stunden herrscht im Saal gähnende Leere, nur vor dem Buffet tummeln sich einige Hartnäckige, die sich fehlende Prozente an der Alkoholfront zusammensammeln – die Parteiprominenz hat sich da bereits aus dem Staub gemacht. Fast verzweifelt bittet der einsame Küchenchef hinter dem Tresen, daß die Anwesenden nicht nur den Getränken, sondern auch den Wiener Würstchen zusprechen: „Es ist zuviel von allem da.“ (bä)

Meist junges Volk, lockere Klamotten, Bier bei der Linkspartei im Prenzlauer Berg. Eine Combo spielt russische Chansons: „Meine Adresse ist kein Haus und keine Straße, meine Adresse ist die Sowjetunion.“ Ein altes Mütterchen schwenkt die rote Parteifahne. Dann die Prognose: Lauter Jubel über das Scheitern der FDP, noch lauter beim schwachen Wert der Grünen, Stille beim eigenen Ergebnis. Um 18.30 Uhr Auftritt Gregor Gysi: „Wer hätte das 1990 gedacht, daß wir drittstärkste Kraft sind?!“ Den eigenen Absturz redet der Charmeur weg: „Wir liegen vor der CSU und vor den Grünen!“ Beifall. (ru)

„Ob sechs, sieben oder acht Prozent – das bleibt abzuwarten.“ Die Piratenpartei strotzt bei ihrer Einladung zur Wahlparty noch vor Optimismus. In einer ehemaligen Fabrik im Osten der Hauptstadt sollte die große Sause stattfinden – und fiel um 18.01 Uhr schon wieder ins Wasser. 2,2 Prozent. Die knapp 200 Piratenanhänger üben sich in Galgenhumor. „Wenigstens zugelegt“, ruft einer. Einen Schuldigen finden die Parteimitglieder zwar nicht mehr, dafür aber den Weg zur Theke. Statt Bionade ist nun Alkohol angesagt. (ho)

Im Flughafen Tempelhof soll die Wahlparty der Grünen steigen. Wer etwas trinken will, muß sich ewig anstellen und für jede Order zusätzlich einen Pfandbon erwerben. Das ist voller Umerziehungsservice. Dann erscheint Claudia Roth neben Cem Özdemir und ist „bitter enttäuscht von der heftigen Niederlage“. Als in der nächsten Hochrechnung die AfD auftaucht, ist die Parteibasis in ihrem Element: „Nazis raus“, schallt es durch den Hangar. (cd)

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