© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Merkels Million
Autoindustrie: Statistische Tricks gaukeln Erfolge der Elektromobilität vor / Strom aus Benzin?
Jörg Fischer

Das Ziel ist und bleibt: Wir wollen bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bringen“, erklärte Angela Merkel zur Eröffnung der diesjährigen Automesse IAA. Daß bis Ende August nur 3.339 E-Pkw neu zugelassen wurden – das waren 0,17 Prozent der knapp zwei Millionen Neuwagen –, trübt den Optimismus der Kanzlerin nicht. Wer zweifle, der sei „mit der Exponentialfunktion nicht so richtig vertraut“, meinte die promovierte Physikerin.

Wie Merkels Elektromillion auch ohne exponentielles Wachstum erreichbar ist, zeigt eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) über „Markthochlaufszenarien für Elektrofahrzeuge“. Da bezahl- und belastbare Batterietechnik nicht in Sicht ist (JF 10/13), wird einfach die Statistik zurechtgebogen: Unter Elektromobilität werden „Pkw und leichte Nutzfahrzeuge verstanden, sofern diese ganz oder teilweise elektrisch angetrieben und über das Stromnetz direkt geladen werden können. Dazu gehören reine Batteriefahrzeuge (BEV), Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge (PHEV) und Range-Extender-Fahrzeuge (REEV)“, heißt es in der ISI-Studie.

Sogar 1,4 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen?

Sprich: E-Mobile (Electric Vehicles/EV) sind nun auch jene Benzin- und Dieselautos, die nur ein paar Kilometer rein elektrisch fahren (wie der Toyota Prius+) oder schwergewichtige Kompaktwagen ohne familientauglichen Kofferraum (wie der Opel Ampera), bei dem der Verbrennungsmotor erst nach 40 bis 50 Kilometern anspringt. Zählt man aber PHEV und REEV hinzu, verzehnfacht sich die Zahl der E-Autos in Deutschland. Ausgehend von solchen Definitionen prognostiziert das ISI im optimistischen „Pro-EV-Szenario“ (hohe Kraftstoff- und niedrige Strom-/Batteriepreise) sogar bis zu 1,4 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen. Im pessimistischen „Contra-EV-Szenario“ wären es nur 50.000 bis 300.000.

Schwieriger sieht es laut ISI für Großstädter wie das Popsternchen Lena Meyer-Landrut aus, die sich laut FAZ ein E-Auto kaufen will, „weil es die Umwelt schont“. Ihr Problem: „Ich habe keine Garage und weiß nicht, wie ich es aufladen soll.“ Da das 57 Prozent der Großstädter so geht, bleibt ihr nur der Umzug von Köln in die Provinz: Denn „Vollzeitbeschäftigte aus kleinen bis mittelgroßen Gemeinden“ sind „die größte Gruppe unter den ökonomisch sinnvollen Nutzern“ von E-Autos. Sollte der ISI-Optimismus trügen, böte sich ein weiterer Statistikkniff an: Bereits 2012 gab es laut Auto Club Europa 1,3 Millionen Elektrofahrräder in Deutschland.

Fraunhofer-Studie über „Markthochlaufszenarien für Elektrofahrzeuge“:

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