© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/13 / 27. September 2013

Facebook wurde überschätzt
Bundestagswahl: Warum soziale Netzwerke doch nicht so wichtig waren, wie vermutet
Henning Hoffgaard

Hier waren die Wähler am schnellsten informiert. Noch bevor sich die Spitzenkandidaten im Fernsehen zu den Wahlergebnissen äußerten, hatten sich ihre Parteien bereits auf Facebook zur Abstimmung geäußert. Bis zum Schluß nutzten die Wahlkämpfer das soziale Netzwerk, um Menschen am Sonntag an die Urnen zu scheuchen. „Heute gilt es! Beide Stimmen den Piraten“, hieß es da etwa. Auf der Facebook-Seite der Kanzlerin wurde am Wahltag sogar noch ein Countdown heruntergezählt. Das Motto: Jede Stunde ein Argument für Merkel. Der Aufwand, den Parteien und Politiker betreiben, ist immens. Bilder müssen erstellt, Kommentare sollten moderiert und dann auch noch zeitnah Videos eingebunden werden.

Doch wie wichtig sind die sozialen Netzwerke für die Wähler wirklich? Knapp 450.000 „Gefällt mir“-Klicks haben die wichtigsten Parteien (siehe Infografik) insgesamt. Bei 61 Millionen Wahlberechtigten haben die Parteien so in der entscheidenden letzten Woche vor der Wahl gerade einmal 0,7 Prozent der Deutschen direkt über Facebook erreicht. Ein verschwindend geringer Wert. Hinzu kommt: Nicht wenige Facebook-Nutzer haben mehr als eine Partei zu ihren Favoriten hinzugefügt. Zugleich jedoch können die Beiträge der Parteien auch im eigenen Profil geteilt werden. Wer das macht, gibt ihn so auch allen seinen Freunden in dem Netzwerk zu sehen. Die Reichweite würde damit wieder steigen. Es ist also kompliziert.

Wähler informieren sich vor allem übers Fernsehen

Ein Trend läßt sich jedoch sofort ablesen: Je kleiner eine Partei ist, desto größer ist die Anzahl ihrer Anhängerschaft auf Facebook. Die mit 2,2 Prozent abgestrafte Piratenpartei hat mit knapp 89.000 Fans die meisten. Dicht auf den Fersen folgt ihr die Alternative für Deutschland (AfD) mit etwa 85.000. SPD und CDU folgen erst danach mit 73.000 beziehungsweise 62.000 Sympathisanten. Würden nur die „Gefällt mir“-Klicks bei einer Wahl zählen, hätte die CDU nur 16,3 Prozent bekommen. AfD und Piraten kämen dagegen zusammen auf 40 Prozent. Zumindest die FDP hätte es mit 5,5 Prozent im Gegensatz zur CSU (4,2 Prozent) wieder in den Bundestag geschafft. Die AfD ist auf Facebook besonders aktiv. „Facebook schafft eine Öffentlichkeit – ein großer Vorteil für kleine Parteien, die nicht über einen PR-Apparat und die Medienpräsenz der etablierten Parteien verfügen“, heißt es von einem Administrator der AfD-Seite.

Angst, daß die Anhängerschaft nach dem knapp verpaßten Einzug in den Bundestag wieder zusammenschrumpfen wird, hat die Partei nicht. „Allein in der Wahlnacht gab es 4.000 neue ‘Gefällt mir’-Klicks. Mit der Fortentwicklung der Partei wird es enorm viel neuen Gesprächsstoff auf Facebook geben.“ Und auch soviel verrät die Partei: „In der Woche vor der Bundestagswahl haben wir 1.895.398 Personen erreicht.“ Das lag vor allem daran, daß die Anhänger die Beiträge fleißig an ihre anderen Freunde geteilt haben. Ob die das dann auch wirklich gelesen haben, läßt sich jedoch nicht feststellen.

Die Zweifel an der Bedeutung der sozialen Netzwerke für Wahlen sind nicht neu. Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap für das Projekt Wahllos.de informieren sich die wenigsten Wähler bei Facebook, Twitter und Co. über Politik. Nur 19 Prozent gaben an, gezielt in den sozialen Netzwerken nach politischen Themen zu suchen. Mehr als 70 Prozent informieren sich über das Fernsehen. Auch Zeitungen (65 Prozent), Radio (54 Prozent) und direkte Anschreiben per Post (25 Prozent) sind den Wählern wichtiger bei der Meinungsbildung. Das gilt auch für die Gruppe der 18- bis 29jährigen: 68 Prozent informierten sich vor allem übers Fernsehen. Ganz ohne soziale Netzwerke geht es künftig jedoch nicht mehr. Sie sind das einfachste Mittel der Politiker und Bürger, direkt ins Gespräch zu kommen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen