© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Mutti macht’s
CDU: Unter Merkel hat sich die Partei als profilloser Kanzlerwahlverein etabliert
Jan von Flocken

In Deutschland, so sagte Angela Merkel vor der Wahl, „gibt es ein paar Menschen, die nicht hundertprozentig zufrieden sind“. Ob sie damit jene gut 17,6 Millionen Bundesbürger meinte, die es vier Wochen später vorzogen, den Urnen fernzubleiben? Oder jene 54,7 Prozent, die den Oppositionsparteien ihre Stimme gaben? Bei allem unbestreitbaren Wahltriumph (keineswegs für die CDU, nein allein für Frau Merkel) – die Tatsache, daß fast fünf Prozent der Wähler ihr Kreuzchen bei der Alternative für Deutschland machten, sollte die Alternativlose doch ein wenig gewurmt haben.

Die altgewohnte Erfahrung, wonach Menschen immer das Original dem Abklatsch vorziehen, gilt nicht mehr. Statt der SPD ihre Stimme zu geben, wählten viele lieber eine bis auf Mark und Knochen sozialdemokratisierte CDU. Eine Partei, welche nicht nur den konservativen Flügel gründlich gestutzt, sondern auch die letzten konservativen Kulturtraditionen ungerührt über Bord geworfen hat, darunter den besonderen Schutz für Familie und Ehe – der zwischen Mann und Frau, das muß man heutzutage noch extra betonen.

Auch wenn Wahlen stets nur Momentaufnahmen sind, der Erfolg von Merkels inhaltlicher Belanglosigkeit und rhetorischer Verwaschenheit ist staunenswert. Der Spitzname „Mutti“ für die kinderlose, eiskalte Machtfrau hat seinen ironischen Unterton längst eingebüßt und mutierte zum Kompliment. Denn Angela Merkel ist mittlerweile unersetzlich (man könnte nachgerade sagen: alternativlos) für die CDU geworden. Daß die Partei zum Kanzlerwahlverein degenerierte, stellt nicht das Kernproblem dar. Dies war schon bei Adenauer und Kohl nicht anders. Aber der Alte aus Bonn und der Oggersheimer wußten es immer klug zu verhindern, daß die Union einer völligen programmatischen Verödung anheimfiel. Letzteres ist nun geschehen. Und es kann auch gar nicht anders sein mit einer Kanzlerin, die voll unverhohlenem Stolz von sich erzählt, sie sei heute liberal, morgen sozial und am Folgetag konservativ. Bei einer Politikerin, die befragt nach den christlichen Inhalten ihrer C-Partei, die Sentenz abliefert: „Mit dem Glauben läuft man nicht auf der Zunge herum.“

Längst hat sich Merkel zur Respektsperson stilisiert, umgeben von einer farblos-devoten Entourage, die vom Gender Mainstreaming über die Klimakatastrophe bis zum „Kampf gegen Rechts“ sämtlichen zeitgeistigen Afterglauben regelrecht zelebriert. Keiner wagt mehr zu lachen, wenn sie Sätze von sich gibt wie während der letzten Haushaltsdebatte des Bundestages: „Veränderte Verhältnisse verändern verändertes Handeln.“ Oder: „Wir haben es in der Hand, ob wir Kleinmütige oder Zauderer sind.“ Höchstens wundern darf man sich noch über eine allerorten eifrig ihr Smartphone nutzende Kanzlerin, die, wenn es opportun scheint, das seit 30 Jahren existierende Internet kurzerhand als „Neuland“ deklariert und obendrein noch „für uns alle“, womit sie ihre eigene vorgetäuschte Naivität ungerührt auf zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung ausdehnt.

Etablierte Presse und Staatsfernsehen sind 2013 lammfromm geworden. Was scheren uns die längst überfälligen Reformen von Pflege, Rente, Bildung, Straßenverkehr? Dem Volk wird kurzfristig mit Konsum das Maul gestopft. Und eine bis zur Unkenntlichkeit sich gleichschaltende Medienlandschaft informiert ihre Kunden nicht mehr über politische Inhalte, sondern über Form und Farbe von Angies Halsschmuck. Fazit: „Mutti“ wird’s schon richten. Die Kumpanei beruht auf Gegenseitigkeit.

Auf welchem Feld präsentieren die Unionsparteien überhaupt noch ein markantes Profil? Allenfalls beim Euro. Dieser mißhellige, undemokratisch herbeigeführte, levantinisch angekränkelte Gemeinschafts-Euro – er ist laut Merkel „weit mehr als eine Währung“. Völlig richtig, er verkörpert einen dogmatischen Glaubensgrundsatz, den namentlich die CDU mit dem dazugehörigen Eifer von Inquisitoren verteidigt. Das bedeutet für uns, als „überzeugte Europäer“ (Leben eigentlich im Kongo auch überzeugte Afrikaner?) haben wir diese Währungslast bis ans bittere Ende zu schleppen, denn sonst „scheitert Europa“. (Könnte an Paraguay eventuell Lateinamerika scheitern?)

In den kommenden Jahren wird sich zeigen, wie groß und stabil das Wählerpoten-tial der bürgerlich-konservativen Rechten ist, das sich von der Unionspartei abgestoßen fühlt. Sicher ist nur eines: Egal, wen die Kanzlerin zum künftigen Bundesgenossen in ihrem Kabinett erwählt, bisher hat sie noch jeden Koalitionspartner ins politische Koma regiert. Jetzt wären gerechterweise einmal die Grünen an der Reihe.

Welchen Platz Angela Merkel einst in den Annalen der Geschichte einnehmen wird, weiß niemand. Gewiß ist aber, daß sie sich bereits jetzt Monumente der Unsterblichkeit errichtet hat. Gemeint sind jene abertausend Windräder, die durch ihre apokalyptische Häßlichkeit Deutschlands Kulturlandschaft nachhaltiger verschandeln, als es sämtlicher Bombenterror der Alliierten und der Roten Armee je vermochte. Einen Beschwörungszauber gegen den ominösen Klimawandel sollen diese metallenen Leichenfinger darstellen.

Die Kabarettistin Lisa Fitz brachte es unlängst zielgenau auf den Punkt: „Ich fürchte mich nicht so sehr vor der globalen Erwärmung, sondern vor der globalen Verblödung.“

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