© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Die alte Garde tritt ab
Bündis 90/Die Grünen: Nach dem Dämpfer bei der Bundestagswahl vollzieht die Partei an der Spitze den Generationenwechsel
Christian Schreiber

Wenn die FDP nicht mit Pauken und Trompeten aus dem Bundestag geflogen wäre, wäre es für die Grünen wohl noch viel schlimmer gekommen. So durften sich die gescheiterten Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt mit der Rolle des Co-Verlierers begnügen.

Dabei hat die Partei in den vergangenen Jahren einen Abstieg hingelegt, der seinesgleichen sucht. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren erzielte sie mit 10,7 Prozent ihr Rekordergebnis. Nun fiel sie auf 8,4 Prozent zurück. Damit liegen die Grünen zwar immer noch auf dem Niveau früherer Wahlen, dennoch wurde das Ergebnis parteiintern als GAU eingeordnet. Spätestens als der Ober-Realo Winfried Kretschmann 2011 die schwarze Hochburg Baden-Württemberg knackte und zum ersten grünen Ministerpräsidenten wurde, fühlte sich die Partei zu Höherem berufen. Bereits vor der Atom-Katastrophe in Japan lag man in Umfragen bei mehr als 20 Prozent, auf dem Höhepunkt der Debatte um die Energiewende erreichte man wochenlang mehr als 25 Prozent und lag sogar vor den Sozialdemokraten.

Doch auf dem Zenit ihres Erfolgs verloren Trittin und Co. die Bodenhaftung und am Ende auch die Orientierung. Zuerst wurde über einen grünen Bundeskanzler diskutiert, danach strategische Machtoptionen verspielt. Nach dem Jamaika-Fiasko im Saarland und dem Hamburger Debakel von Schwarz-Grün ist die Partei zu ihrer Rolle als Mehrheitsbeschaffer der SPD zurückgekehrt. Beseelt vom Umfragehoch, sah die Partei bemerkenswert teilnahmslos zu, wie ihnen nach und nach die Themen abhanden kamen.

Die Energiewende gehörte zum grünen Selbstverständnis, beschlossen hat sie die Union unter Angela Merkel. Auch in anderen Themenfeldern wie der Familienpolitik haben die politischen Mitbewerber nachgezogen. Berufstätige Mütter, gleichgestellte Homosexuelle, alleinerziehende Väter – all das ist 2013 Realität in Deutschland. Fast scheint es so, als haben sich die Grünen überflüssig gemacht.

Auch den Draht zur Jugend haben sie verloren, scharenweise wanderte die netzaffine Wählerschaft zu den Piraten ab. Ob dieses Reservoir nach deren Scheitern zu den Grünen zurückkehren wird, ist ungewiß. Vor allem, weil die Partei nach wie vor mit sich selbst beschäftigt ist. Die Pädophilie-Debatte sorgte für Erschütterungen und rüttelte an der Integrität von einstigen Partei-Ikonen wie Volker Beck oder Trittin.

Die alte Garde steht nun vor dem politischen Aus. Doch der Neuanfang gestaltet sich schwierig, denn bei den Grünen müssen die Spitzen in Fraktion und Partei jeweils mit Mann und Frau besetzt sein. Den weiblichen Part übernahmen bisher Renate Künast und Claudia Roth. Beide wollen sich auf einen Repräsentationsposten, sprich den Stuhl der Bundestagsvizepräsidentin retten.

Dort war es Katrin Göring-Eckardt offenbar zu gemütlich, sie greift nun nach der Fraktionsführung. Doch sie bekommt Konkurrenz von Kerstin Andreae, die ebenfalls zum Realo-Flügel zu zählen ist. Als neuer Mann an der Fraktionsspitze ist der Bayer Anton Hofreiter gesetzt. Der langhaarige Linksaußen-Politiker gilt als ehrgeizig und befürwortet ein Bündnis mit SPD und Linkspartei. Gleiches sagt man auch Simone Peter aus dem Saarland nach, die sich um den Parteivorsitz bewirbt. Beim dortigen Jamaika-Experiment war sie Umweltministerin. Daß sie nicht gerade als teamfähig gilt, könnte vor allem für Cem Özdemir zum Problem werden. Er dürfte sein Amt als Vorsitzender behalten. Özdemir gilt als moderat und soll einen guten Draht zur Kanzlerin haben. Zudem steht der mächtige Landesverband Baden-Württemberg hinter ihm.

Trittin schwant unterdessen, wohin die Partei tendiert: „Es gibt die Meinung, daß uns vier weitere Jahre Opposition ganz gut tun.“ Dann hätte man ausreichend Zeit zur Selbstbeschäftigung.

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