© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
In letzter Minute
Peter Freitag

Wat den eenen sin Uhl’, ist den annern sin Nachtigall“, sagt der plattdeutsche Volksmund, wenn es um die Verteilung von Glück und Unglück geht. Das Pech der über 500 Mitarbeiter von FDP-Parlamentariern, die nach dem Rausschmiß der Liberalen aus dem Bundestag arbeitslos geworden sind, hat schon landauf, landab die Medien-Runde gemacht. Mal hämisch, mal mitleidvoll konnotiert.

Doch auch bei der Union gibt es nach dieser Wahl Leute, die sich ziemlich plötzlich und relativ unerwartet beruflich umorientieren müssen. Beispielsweise Yvonne Magwas, die bisherige Büroleiterin des Bundestagsabgeordneten Robert Hochbaum aus dem Vogtlandkreis.

Die 33jährige stand – mehr oder weniger pro forma – auf Platz 12 der Landesliste der Sachsen-CDU. Bisher hatte diese Liste nie „gezogen“, die christdemokratischen Abgeordneten aus dem Freistaat waren alle direkt in den Bundestag gewählt worden.

Das hat sich mit dem Ergebnis am 22. September geändert. Und deswegen erfuhr Frau Magwas am frühen Montagmorgen nach der Wahl, daß sie zwar weiterhin im Bundestag arbeiten wird – allerdings nicht mehr als Büroleiterin, sondern als MdB. Das mußte die junge Politikerin dann erst einmal verdauen. Am Abend zuvor hatte ihr Chef noch die Möglichkeit, seine Berliner Mitarbeiterin könne bald Kollegin werden, vollmundig ins Reich der Fabel verwiesen: „Nur Journalisten, die nicht rechnen können, schreiben in diese Richtung“, zitierte ihn die Freie Presse. Um dann genüßlich auszubreiten, daß Hochbaum sich anderntags selbst korrigieren mußte.

Das Vogtland ist nicht der einzige Wahlkreis, den von nun an zwei Abgeordnete einer Partei – einer direkt, einer über Liste – in Berlin vertreten. Beispiel Böblingen: Dort holte CDU-Innenexperte Clemens Binninger das Direktmandat, sein Parteifreund Peter Hinz aus Leonberg schaffte es über die Liste. Ein weiterer Neuling soll den Anruf des zuständigen Wahlleiters mit der Mitteilung, daß er aufgrund des hohen Zweitstimmenergebnisses ins Parlament einziehen werde, just beim Besuch der Wahlparty eines Parteifreundes – und nun Kollegen – erhalten haben. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nord-rhein-Westfalen konnte die Union statt bisher acht nun ganze 26 Mandatsträger zusätzlich über die Landesliste in den Reichstag schicken. Selbst manchem „Schwarzen“ schmeckt dieser Zuwachs nicht.

Denn die Damen und Herren vertreten nicht nur Partei-, sondern auch Regionalinteressen. Und wenn es um das Geld des Bundes für Straßen oder Schienen geht, für Wirtschaftsförderung und Infrastruktur, verlaufen die Fronten gelegentlich anders, als es die politische Farbenlehre nahelegt.

Für die glücklichen Gewinner des „Last-Minute-Tickets“ in Richtung Reichstag zählt das natürlich (noch) nicht. Sie müssen sich jetzt erst einmal zurechtfinden im politischen Berlin, den neuen Arbeitsplatz einrichten, eigene Mitarbeiter anheuern. Die Zeit dafür ist knapp bemessen.

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