© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

Mit Manipulationen und neuen Tricks gegen die Euro-Krise?
Geschönte Bilanzen
Dirk Meyer

Die Hilfsprogramme für Portugal und Irland enden 2014. Da der Kapitalmarktzugang unsicher ist, werden Kreditlinien des Rettungsfonds ESM ins Spiel gebracht. Aber auch Frankreich und Italien kranken an Verkrustungen im Arbeits- und Sozialbereich. Die Ratings weisen in eine negative Richtung. Vor welchen Alternativen stehen diese Staaten?

Sie könnten ihre Arbeitsmärkte flexibilisieren und so ungenutzte Potentiale heben. Doch was in Irland funktioniert, scheitert in den mediterranen Ländern an Mentalität und Strukturen, in Portugal sogar am Verfassungsgericht. Kurzfristige Opfer sichern zwar langfristig Unabhängigkeit und Wohlstand. Doch durch Druck auf die Euro-Geberstaaten und Nachverhandlungen können kurzfristige Opfer vermieden werden – allerdings zu Lasten langfristiger Abhängigkeiten. So hat Griechenland trotz Schuldenschnitt eine Zinssenkung und eine Verlängerung der Kredite bis 2041 erwirkt. Auflösen ließe sich das Dilemma auch durch eine Fiskal- und Transferunion. So lautet ein Vorschlag aus dem Währungsfonds IWF, der eine EU-Arbeitslosenversicherung, ein zentrales Budget der Euro-Zone sowie einen weiteren Hilfsfonds – neben EFSF und ESM – vorsieht.

Solange dieser Schritt jedoch aussteht, begleiten Methoden der kreativen Buchführung den Euro-Rettungsweg. Die offensichtlichen und fortgesetzten Manipulationen in Griechenland sind bekannt. Weniger bekannt sind die Tricks verschiedener Euro-Staaten im Jahr vor Eintritt in die Währungsunion. Italien erhob eine einmalige Europasteuer mit Rückzahlungsverpflichtung an seine Bürger. Privatisierungserlöse und der Verkauf von Goldbeständen drückten in Spanien und Belgien die Staatsschulden. Gewinnabführungen der belgischen Staatslotterie für sieben Jahre im voraus und Einmalzahlungen der France Telecom gegen die staatliche Übernahme von Pensionslasten schönten die Pariser Zahlen.

Im Gespräch ist die Neuberechnung des strukturellen Defizits, das lediglich 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen darf. Dabei wäre die Unterscheidung zwischen strukturellem und konjunkturellem Defizitteil durchaus sinnvoll. Schließlich ist der Teufelskreis aus bloßem Sparen ohne hinreichende Reformen, sinkendem BIP, steigender Arbeitslosenzahlen und Soziallasten deutlich spürbar.

Mit einer geänderten Berechnungsmethode, wie sie etwa Nobelpreisträger Paul Krugman vorschlägt, würde die negative Konjunktur stärker berücksichtigt. Die Folge wären verminderte Sparauflagen. Voraussetzung bleibt aber, daß man eindeutig zwischen unterlassenen Strukturreformen und rein konjunkturell-auslastungsbedingten Wirkungen unterscheiden kann. Wer könnte dabei böse Absicht erahnen?

 

Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen