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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/13 / 04. Oktober 2013
„Gute Schnäppchen“ Bernhard Leder ist mit seiner Familie im Ostseeurlaub in Pommern. Die Familie schlendert über den Parkplatz der örtlichen Lidl-Filiale in Kolberg. Ehefrau Annette strahlt: „Und hast du die Schachtel Aspirin gesehen? Die hat weniger als zwei Euro gekostet.“ Ja, das beliebte Schmerzmittel wird bei Lidl nicht nur neben der Kasse angeboten wie bei uns Kaugummi, es ist auch noch günstig in polnischen Lidl-Filialen. Die Expansion deutscher Handelsketten im Ausland bringt dem deutschen Konsumenten spürbare Vorteile. So kann er ein ihm vertrautes Warensortiment aufgrund anderer Mehrwertsteuersätze – der ermäßigte Satz beträgt nur drei Prozent – und einer an die örtlichen Gegebenheiten angepaßten Preispolitik günstiger kaufen als zu Hause. Im Fall der Leders fiel die Rechnung etwa 15 Prozent niedriger aus. Aber Vorsicht: Obwohl in Polen grundsätzlich niedrigere Lebenshaltungskosten herrschen, ist nicht alles billiger. Es gibt teilweise erhebliche Abweichungen der Preise für die gleichen Produkte. Auch nach oben. Der Trend ist: Grundnahrungsmittel wie Fleisch und Kartoffeln sind in Polen eher billiger, westliche Markenprodukte hingegen eher teurer. Keine Regel ohne Ausnahme: Grundnahrungsmittel sind nicht automatisch günstiger. Vor zwei Jahren gab es in Polen einen gewaltigen Lieferengpaß beim Zucker – eine Folge von EU-Vorschriften. Der Zuckerpreis liegt noch heute in Polen deutlich über dem in Deutschland. 2011 rationierten die deutschen Lidl- und Kaufland-Filialen im grenznahen Bereich Zucker vorübergehend: Es wurden nur haushaltsübliche Mengen, vier oder fünf Kilo, abgegeben. Bild warnte damals: „Polen kaufen uns den Zucker weg.“ Es lohnt sich also, die Preise im Kopf zu haben. Natürlich ist der Einkauf jenseits von Oder und Neiße nur für Bewohner im grenznahen Bereich oder Urlauber interessant. Niemand fährt für einen Sack Zwiebeln in ein anderes Land. Auch der jahrelang beachtliche Tanktourismus ist zurückgegangen, seit Super in Polen bis zu 1,40 Euro kostet. Um so mehr bemüht sich Lidl Polen auch um seine deutschen Kunden. Zumindest in der Filiale in der Osthälfte von Frankfurt an der Oder (Słubice) könnten Käufer sogar mit Euroscheinen bezahlen, verrät ein Kunde in einem Internetforum. Er freut sich über die „besonders billigen Preise für Obst“. Ein anderer ergänzt: „Am besten mit dem Währungsrechner im Handy die Preise vergleichen. Deutsches Netz ist ausreichend verfügbar.“ So ließen sich „richtig gute Schnäppchen“ machen. Wieder ein anderer meint, Einkaufen in Polen lohne sich nur für Raucher, weil Tabakwaren deutlich billiger sind. Zigaretten dürfen aber nur in begrenzter Menge (vier Stangen pro Person) nach Deutschland eingeführt werden. Ganz so frei ist der EU-Binnenmarkt dann doch nicht. Übrigens gehen sämtliche Einsparungen natürlich immer auch zu Lasten der deutschen Lidl-Märkte. In seiner Filiale, berichtet ein Frankfurter, sei oft nur eine Kasse besetzt, weil das Geschäft „gähnend leer“ sei. Zusammen mit Kaufland erwirtschaftet Lidl mehr als die Hälfte seines Umsatzes (35 von 63 Milliarden Euro) im Ausland. Lidl betreibt in Polen 525 Filialen. Damit ist das Unternehmen außerhalb Deutschlands (3.100 Filialen) nur in Spanien (530), England (568) und Frankreich (1.400) besser vertreten als in Polen. In Frankreich ist die Kette bereits Marktführer im Segment der Discountmärkte. Andere Märkte liefen nicht so gut. Aus Norwegen mußte sich Lidl wieder zurückziehen. Auch im Baltikum hat der Markteintritt noch nicht richtig geklappt. Aber diese Rückschläge sind Ausnahmen. In Polen, wo Lidl seit 2002 aktiv ist, brummt das Geschäft. Vor einem Jahr startete Lidl eine Großoffensive gegen den lokalen Marktführer Biedronka („Marienkäfer“, 1.800 Filialen). Mit einem zehnprozentigen Preisnachlaß machte Lidl dem in portugiesischen Händen befindlichen Platzhirschen Kunden abspenstig. Auch die – ebenfalls zur Schwarz-Gruppe gehörende – Kette Kaufland ist in Polen vertreten. Ebenso der Drogerist Rossmann, die Ketten Rewe und Real. Nur der deutsche Lidl-Hauptkonkurrent Aldi ist in Polen schwach auf der Brust. Vor fünf Jahren ist Aldi in den polnischen Markt eingetreten. Später als die meisten seiner Konkurrenten. Es lief von Anfang an schleppend. Das ursprüngliche Ziel lautete: 1.000 Märkte sollen das Land überziehen. Das ist bis heute nicht gelungen. Und das, obwohl Aldi für viele Polen seit ihren Shoppingtouren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zum Inbegriff der westlichen Einkaufswelt geworden ist. Das Unternehmen hat bis heute keine 100 Filialen landesweit. Und wie sehen die Polen die Expansion der deutschen Handelskette? Mit sehr gemischten Gefühlen. Vergangenen Donnerstag organisierte die Gewerkschaft „Solidarność“ landesweite Protestaktion vor Lidl-Filialen. Grund: schlimme Arbeitsbedingungen und die Nichtbeachtung von Arbeitsschutzgesetzen. Mitarbeiter würden täglich gezwungen, länger zu bleiben. Wer sich beschwere, fliege raus. Die Klagen darüber in den Kommentarspalten der Onlineartikel sind Legion. Trotz des schlechten Images kauft bereits jeder zweite Pole bei Discountern ein. Verlierer sind die kleinen, privat betriebenen Lebensmittellädchen, die zu Tausenden aufgeben mußten.
Viele, nicht alle Produkte sind billiger Menge, Artikel Deutschland Polen Differenz 1 Kilo abgepackte, mittelgroße Tomaten* 4,98 € 1,04 € 79 % 1 Kilo Schweinesteaks* 9,58 € 4,10 € 57 % 350 gr Alfredo Fertigpizza (3 Stück) 2,49 € 1,27 € 49 % 2 Kilo Kartoffeln 2,49 € 1,39 € 44 % 1 Liter Milch 0,65 € 0,48 € 26 % 500 gr Bellarom Kaffee 2,99 € 2,55 € 15 % 500 gr Combino Spaghetti* 0,49 € 0,44 € 10 % 1 Kilo Pommes Frites 0,99 € 0,89 € 10 % 100 gr Schwarzwälder Schinken* 1,13 € 1,09 € 3 % 300 gr Vitakrone Matjes 1,29 € 1,39 € -8 % 400 gr Combino Tomatensoße 0,79 € 0,93 € -18 % 1 Kilo Zucker 0,69 € 0,83 € -20 % 200 gr Schokopudding 0,19 € 0,23 € -21 % 100 gr Haribo Goldbären* 0,43 € 0,54 € -26 % 500 ml passierte Tomaten 0,35 € 0,51 € -46 % * Unterschiedliche Verpackungsgrößen |