© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/13 / 04. Oktober 2013

CD: Sparks
Minimalismus als Programm
Sebastian Hennig

Zu den besten unter den unbekannten Schallplatten der Populärmusik gehört unzweifelhaft „Kimono my House“ (1974) von den Sparks. Auf der Rückseite der lindgrünen Hülle lehnen die Brüder Russell und Ron Mael nachdenklich in einem Spotlight an der Wand. Russell mit frauenhafter Haarmähne und femininen Zügen. Ron mit dem durch Hitler für alle Zeit verrufenen Oberlippenbärtchen und kantigen Zügen. Die drei Instrumentalisten daneben sind nur schwarzweiß und klein wiedergegeben. Eine klare Hierarchie, wie auf altägyptischen Malereien.

Auf ihrer aktuellen Tournee verzichten die beiden Pharaonen der geistreichen Rockmusik ganz auf musikalische Begleitung. Es gibt nur ein Keyboard auf der Bühne und die zwei quirligen Typen dazu. Im Innenteil der Plattenhülle ist in winziger Schrift eine Art Warendeklaration mit den Inhaltsstoffen verzeichnet: „Two Hands. One Mouth. No Computers“.

Russell Maels Gesang erschwingt immer noch die absurdesten Falsetthöhen. Rons Bärtchen ist lange abrasiert, dafür trägt er braune Kniebundhosen und ein ebensolches Jacket. Das Motto der Tour lautet „Two Hands One Mouth“, und unter diesem Titel ist nun auch die selbstvermarktete Doppel-CD „Live in Europe“ erschienen. Die Aufnahmen entstanden im letzten Herbst, den wenigen Ansagen nach zu urteilen wohl in Deutschland, Großbritannien und Schweden.

Für den schwedischen Rundfunk produzierten die Sparks unlängst das Radiomusical „The Seduction of Ingmar Bergman“, in dem sie den Filmregisseur Ingmar Bergmann durch die USA reisen lassen. Auszüge daraus beinhaltet das Konzertprogramm. Einige Erfolgslieder früherer Jahre erhalten durch die sparsame Einrichtung für das Duo-Konzert neue Frische. Schließlich endet das minimalistische Programm mit der gesungenen Parole der musikalischen Zu-Zweit-Unterhalter: „Two Hands One Mouth, thats all I need to satisfy you.“

Die Sparks begehen eine musikalische Brüderschaft statt kommerzieller Homoehe, und so klingt auch die Musik der Originale erotischer und wilder als das narzißtische Irrlichtern ihrer bekennerhaften Nachfolger im Geschäft, der Pet Shop Boys und Erasure, die es vor allem an Selbstironie mit den Brüdern Mael nicht aufnehmen können. Darin sind diese ohnehin nicht erreichbar. Süßliches Pathos gibt es nicht. Statt larmoyanter Verlogenheit begegnet man funkensprühender Flunkerei.

1994 ist den Brüdern mit dem Album „Gratuitous Sax & Senseless Violins“ das Comeback geglückt. Unter all den Patriarchen des Rock’ n’ Roll wirken sie am wenigsten lädiert oder lächerlich, eben darum, weil sie von Anfang an über sich selbst und ihre Situation lachen konnten. 1969 sangen sie vom „Computer Girl“, die keine Arme und Beine benötigt. „Girl from Germany“ (1972) handelte von der Verlegenheit, ein Mädchen aus Deutschland als Freundin vorzustellen.

1982 hieß ein Album „Angst in My Pants“. Solche übermütigen, rein spielerischen Andeutungen verleiteten zu ernsthafte Kritiker solcher Spaßmusik dazu, in den Sparks eine Kreuzung aus dem Glanz des Art-Rock und der bedrohlichen Macht des Dritten Reichs zu sehen.

Sparks, Two Hands One Mouth –Live in Europe Lil Beethoven Records 2013 www.allsparks.com  

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