© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

Eine Tradition wird entsorgt
Gedenkpolitik: Die Bundeswehr räumt einen Ehrenhain ab, an dem Wehrmachts- und Bundeswehrsoldaten gemeinsam gedacht wurde
Hans-Joachim von Leesen

Es war eine gute Tradition. Seit Jahren trafen sich am Volkstrauertag im Ehrenhain auf dem Gelände des Ausbildungszentrums Munster, eines Panzerausbildungszentrums der Bundeswehr, Vertreter von Bundeswehreinheiten, der Behörden, Offiziere der früheren gegnerischen Staaten, die heute Verbündete sind, sowie Wehrmachtsveteranen. Sie alle gedachten gemeinsam der gefallenen Soldaten und niemand nahm daran Anstoß. Es wurden Kränze und Blumen an den Findlingen niedergelegt, die den aufgelösten Panzereinheiten der Bundeswehr wie auch den deutschen Panzerdivisionen des Zweiten Weltkrieges gewidmet waren. Sogar einen Gedenkstein für die Kavallerie gab es.

Am Volkstrauertag 2012 geschah dann etwas, was diese Tradition ins Wanken brachte. Die offizielle Feier war vorüber, viele Teilnehmer befanden sich auf dem Heimweg, als ein alter Herr an einen der Gedenksteine trat, an denen kleine Tafeln mit den Namen der Einheiten befestigt waren. Er zog eine Mundharmonika aus der Tasche und begann eine Melodie zu spielen. Dann legte er am Fuße des Steines ein Blumengebinde nieder, das eine Schleife schmückte, auf der die für die meisten Zeitgenossen unverständliche Bezeichnung stand „PzAbt101/501“ sowie Interessenkreis „1. PzKorps“.

Nur wenige Besucher befanden sich noch am Ehrenhain, darunter aber ausgerechnet ein Kamerateam des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Es filmte für das Magazin „Kontraste“ den Mundharmonikaspieler und seinen Blumenstrauß. Daraus schnitt man dann später beim RBB einen Film zusammen, der unter der Überschrift „Unselige Traditionspflege bei der Bundeswehr“ Ende November 2012 gesendet wurde und hohe Wellen schlug. Das Fernsehmagazin enthüllte, was von den Teilnehmern der Gedenkveranstaltung kaum jemand bemerkt hatte, daß der alte Herr das „Treuelied der Waffen-SS“ gespielt hatte; ein eigentlich aus den Befreiungskriegen stammendes Lied Max von Schenkendorfs, dessen Text mit den Worten beginnt „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu“. Die Abkürzungen auf der Blumenschleife bezeichneten, auch das fanden die Fernsehleute heraus, Einheiten der Waffen-SS. Daraus versuchte man einen Skandal zu konstruieren, indem man behauptete, das Lied sei bei der offiziellen Veranstaltung gespielt worden und nicht nach deren Abschluß durch einen unbekannten Zivilisten. Der Beitrag endete mir der Forderung, der Verteidigungsminister solle „endlich durchgreifen in Sachen Vorbilder und Tradition, damit so etwas keinen Raum mehr in der Bundeswehr finde.“

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wurde alsbald aktiv. Sein Ministerium erteilte dem Kommandeur des Ausbildungszentrums Munster, Brigadegeneral Bernd Schütt, den Auftrag, „solche Fehlinterpretationen künftig auszuschließen und die Ursache dafür abzustellen“. Das Ergebnis monatelanger Überlegungen: So schnell wie möglich soll die Gedenkstätte für die gepanzerten Einheiten der Bundeswehr von den Erinnerungssteinen an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges getrennt werden. Die an den Steinen angebrachten Tafeln mit den Wappen der Wehrmachtverbände werden abmontiert und dem Panzermuseum Munster zur Verfügung gestellt.

Der bisherige Ehrenhain soll allein Ort zur Erinnerung an die gepanzerten Verbände der Bundeswehr sein. Daneben wird auf dem Rosbacher Platz gegenüber dem Stab des Ausbildungszentrums eine neue Gedenkstätte entstehen. Sie sei allgemein gehalten und darf keine Einheiten nennen. Den ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht soll die Möglichkeit geboten werden, am Volkstrauertag einen gemeinsamen Kranz zum Gedenken an die gefallenen Kameraden des Krieges abzulegen.

General Schutt stellte in einem in militärischen Fachblättern erschienenen Artikel klar, daß mit den bisherigen Gedenkveranstaltungen niemals gegen Bestimmungen oder Erlasse verstoßen worden sei und daß das beanstandete Spiel der Mundharmonika außerhalb der offiziellen Trauerfeier ertönte und damit nicht in die Verantwortung der Bundeswehr fiel.

Trotzdem beugte man sich dem Fernsehbericht und führte eine neue Regelung herbei, die nicht nur von den alten Wehrmachtsoldaten als Distanzierung von ihren gefallenen Kameraden des Zweiten Weltkriegs gedeutet wird.

Foto: Ehrenhain in Munster vor der Umgestaltung: Wappen der Wehrmachtsverbände landen im Museum

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