© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/13 / 11. Oktober 2013

In der Pfalz regiert
Weiß-Blau am Rhein: Die Wittelsbacher-Ausstellung an zwei Standorten in Mannheim erinnert daran, daß die Dynastie nicht nur in Bayern herrschte
Mario Kandil

Während man in Bayern den Wittelsbachern nahezu auf Schritt und Tritt begegnet, wissen außerhalb des Freistaates nicht allzu viele, daß diese Dynastie auch in der Kurpfalz jahrhundertelang herrschte. Doch die auf zwei Museen aufgeteilte Ausstellung „Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa“ in der kurfürstlichen Residenzstadt Mannheim weist auf mehr als nur auf diese Tatsache hin. Dabei wird der vom Zeitgeist postulierte Bezug auf Europa nicht vernachlässigt.

Seit der Übertragung der Pfalzgrafschaft bei Rhein an die Wittelsbacher im Jahr 1214 durch den Staufer Friedrich II. herrschte die Familie etwa 600 Jahre über die Pfalz, stieg dabei zu Kurfürsten auf und stellte mit König Ruprecht sogar für ein Jahrzehnt (1400–1410) die Spitze des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Zudem hinterließen sie bis heute erhaltene Spuren in Kultur und Kunst.

Diese Pretiosen der Kulturgeschichte werden an zwei Ausstellungsorten in Mannheim präsentiert. Den mittelalterlichen Abschnitt (1214–1504) zeigt das Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen. Zu den Schwerpunkten gehören unter anderem Ausstellungsabschnitte wie die über das „13./14. Jahrhundert – Wege zum Vorrang im Reich“, Kurfürsten und Königswahl (zeigt eine der sieben originalen Goldenen Bullen) und König Ruprecht. „Kurpfälzischer Glanz und das Ende des Mittelalters in der Kurpfalz“, Friedrich der Siegreiche – unter seiner Führung (1451–1476) erreichte das Herrschaftsgebiet der rheinischen Wittelsbacher seine größte Ausdehnung – sowie der Landshuter Erbfolgekrieg vervollständigen diesen ersten Teil der Schau, der mit der Rüstung Götz von Berlichingens eines der prächtigsten Exponate überhaupt aufweist.

Das Jahr 1504 bildet das Ende einer ständigen kurpfälzischen Expansion und Erfolgsgeschichte, denn im Landshuter Erbfolgekrieg bezogen Kurfürst Philipp der Aufrichtige und sein Sohn Ruprecht eine schwere Niederlage. Von da an sahen sich die pfälzischen Wittelsbacher auf das Kerngebiet des Kurfürstentums in der niederen und oberen Pfalz zurückgeworfen.

Den frühneuzeitlichen Abschnitt (1504–1803) zeigt das wenige Minuten Fußweg vom Zeughaus entfernte Barockschloß Mannheim. Da die Reformation im Laufe des 16. Jahrhunderts die wittelsbachischen Linien in der Kurpfalz und Bayern entzweite, startet die Schau im Barockschloß mit dem Part „Das konfessionelle Zeitalter – Reformation und Konfessionalisierung in der Kurpfalz“.

Diese Entzweiung hatte im Dreißigjährigen Krieg für die pfälzische Linie fatale Folgen, da Kurfürst Friedrich V. 1619 den Habsburger Kaiser Ferdinand II. als König von Böhmen stürzte, doch aufgrund der protestantischen Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg 1620 nur einen Winter auf dem Thron war und so als „Winterkönig“ in die Geschichte einging.

„Neue politische Allianzen und Pfälzischer Erbfolgekrieg“ titelt die nächste Abteilung und widmet sich dabei speziell Liselotte von der Pfalz, zu der es nicht nur ein Gemälde, sondern auch eine für Jugendliche gedachte Installation „Liselotte 2.0“ gibt. Nach einer Abteilung über den kurpfälzischen Hof und über die Residenzstadt Mannheim, in deren Mittelpunkt Kurfürst Karl III. Philipp sowie Kurfürst Karl IV. Theodor (er trat 1777 das bayerische Wittelsbacher-Erbe an und war kurzfristig Oberhaupt eines Doppelstaats „Pfalz-Bayern“) stehen, geht es bereits in die Zielgerade der Ausstellung.

Sie handelt von der Regierungsübernahme durch Maximilian IV. Joseph (aus dem Haus Pfalz-Zweibrücken) im Jahr 1799, um schließlich zum Ende der Kurpfalz, besiegelt durch den Reichsdeputationshauptschluß 1803, zu gelangen. Zeitgenössische Bilder zur französischen Herrschaft und die Urkunde, mit der Napoleon I. die Rheinbundakte von 1806 ratifizierte, beschließen die Wittelsbacher-Ausstellung.

In den beiden Ausstellungsteilen gibt es speziell für Kinder und Jugendliche Gegenstände zum Anfassen wie eine Laute, eine Flugblatt-Werkstatt und nachgebildete Kurfürstenmäntel. Die Tafeln, die neben den Beschreibungen zu den einzelnen Exponaten angebracht wurden, sind ganz im pädagogischen Stil der „Sendung mit der Maus“ gehalten: Diese simple Erklärung von Geschichte und ihren zum Teil sehr komplexen Zusammenhängen deutet darauf hin, daß auch die Macher der Mannheimer Ausstellung einer für die heutige Bundesrepublik charakteristischen Sicht zuneigen. Doch lassen sie das zum Glück sonst nicht allzusehr durchblicken.

Alles in allem ist diese Doppelschau über die Wittelsbacher mit ihren 600 Exponaten sehenswert. Obwohl die Kurpfalz 1803 (drei Jahre vor dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation 1806) endete, lebt sie als Identität weiter. Bei pointierter Betrachtung müßten nicht nur Hessen, Kurpfälzer, Badener und Schwaben in die Ausstellung strömen, sondern auch Bayern. Auf diese Weise könnten sie ihre lange gemeinsame Historie an authentischen Wirkungsstätten der Wittelsbacher erleben und der allgemeinen Geschichtsvergessenheit entgegenwirken.

Die Ausstellung „Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa“ ist bis zum 2. März 2014 in zwei Mannheimer Museen täglich von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 0 621 / 293 31 50

Der zweibändige, empfehlenswerte Katalog kostet im Museum 39,95 Euro.

www.wittelsbacher2013.de

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