© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die FDP drückt die Daumen
Henning Hoffgaard

Weißwurst, Brezeln und eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Wenn die Freien Wähler und die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) nach Berlin zur Pressekonferenz laden, kommt auch ein bißchen Bayern in die Hauptstadt. In diesem Fall vor allem bayerische Streitlust.

Zusammen mit dem Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim wollen die beiden Parteien die Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl im kommenden Jahr zu Fall bringen. Diese sei „ganz klar verfassungswidrig“, sagt von Arnim. Eigentlich müßte es die gar nicht geben. 2011 entschieden die Karlsruher Richter, die Klausel sei für die Wahl des Europaparlaments unzulässig. Jahrelang passierte nichts. Bis der Bundestag im Juni innerhalb von neun Tagen eine Drei-Prozent-Hürde durchsetzte. Für von Arnim ein Skandal: „Da wurden die Grundsätze guter Gesetzgebung ausgelassen.“

Alleine steht der Staatsrechtler mit dieser Meinung nicht. Ausgerechnet das Bundesinnenministerium erstellte 2011 eine nun aufgetauchte Expertise, die gegen die Zulässigkeit einer Sperrklausel spricht. Darin heißt es unter anderem: Durch die eingeschränkte Macht des Europaparlaments fehle es an „zwingenden Gründen, in die Wahl und Chancengleichheit durch Sperrklauseln einzugreifen“. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil klargestellt, es sei „nicht Aufgabe der Wahlgesetzgebung, die Bandbreite des politischen Meinungsspektrums zu reduzieren“. Für Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger ist das ein gefundenes Fressen. Das „Machtkartell der etablierten Brüssel-Parteien“ versuche sich Einfluß zu sichern. Besonders ärgert ihn, daß dieselben Parteien, die im Bundestag der neuen Sperrklausel zugestimmt hätten, sich immer wieder für mehr direkte Demokratie einsetzten. „Wenn Hunderttausende Stimmen nicht zählen, dann sind solche Forderungen doch unglaubwürdig.“

Auch der ÖDP-Vorsitzende Sebastian Frankenberger zeigt sich verärgert: „Hätte das Urteil vom 9. November 2011 schon für die angefochtene Wahl gegolten, säßen die Freien Wähler und die ÖDP jetzt im Europäischen Parlament.“ An der Fünf-Prozent-Regel für die Bundestagswahl wollen die beiden Parteichefs allerdings nicht rütteln. Zumindest nicht so direkt. „Wenn wir mehr Volksabstimmungen haben und die Ministerpräsidenten direkt gewählt werden, wird auch die Hürde bei der Bundestagswahl überflüssig.“ Daß der Bundestag dem kaum zustimmen dürfte, weiß auch von Arnim: „Wer einen Sumpf trocken legt, fragt nicht die Frösche um Erlaubnis.“ Der Staatsrechtler spart auch nicht mit Kritik an Bundespräsident Joachim Gauck. Daß dieser so lange gewartet habe, bis er das neue Gesetz unterschrieb, grenze an eine „Pflichtverletzung“. Für die Klage bleibe nun nur wenig Zeit.

Neben ÖDP und Freien Wählern haben auch die Piraten, Republikaner und die NPD den Gang nach Karlsruhe angekündigt. Heimliche Sympathie für die Klage dürfte es auch in der FDP geben. Die hatte fast einstimmig für die neue Klausel gestimmt und wird das mittlerweile bereuen.

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