© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/13 / 18. Oktober 2013

Schallende Ohrfeige für die Etablierten
Front National: Der stetige Aufstieg der Partei bestätigt die akribische Arbeit Marine Le Pens und die Inkompetenz der Konkurrenz
Friedrich-Thorsten Müller

Die Kantonal-Nachwahlen im südfranzösischen Brignoles endeten mit einer schallenden Ohrfeige für die etablierten Parteien in Regierung und Opposition. Während der von den regierenden Sozialisten unterstützte Kandidat der Kommunisten bereits im ersten Wahlgang ausschied, unterlag die bürgerliche Bewerberin in der Stichwahl dem FN-Kandidaten Laurent Lopez überraschend deutlich. 54 Prozent der Wähler sprachen sich in dem Wahlbezirk mit seinen 20.000 Stimmberechtigen für Lopez aus. Genug, um Marine Le Pen, die Vorsitzende des FN, frohlocken zu lassen, daß Stimmen für ihre Partei von nun an „Unterstützungsstimmen und nicht mehr nur Ablehnungsstimmen“ gegen die Wahlsieger seien.

Diese Nachwahl fünf Monate vor den landesweiten Kommunalwahlen und sieben Monate vor der Europawahl wird vom politischen Frankreich sehr wohl als ein Stimmungstest verstanden. Daran ändert auch nichts, daß Brignoles und die Provence traditionelle Hochburgen des Front National sind, was eine Übertragbarkeit der Ergebnisse erschwert.

Vielmehr untermauert dieses Wahlergebnis Prognosen der Demoskopen für die Europawahl, die den FN mit bis zu 24 Prozent (Le Nouvel Observateur) möglicherweise vor allen anderen Parteien als künftig Frankreichs stärkste Fraktion im Europaparlament sehen. Eine dramatische Vorhersage, wenn man berücksichtigt, daß im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen vor 16 Monaten die Sozialisten 29, die UMP 27 und der FN 14 Prozent der Stimmen erhalten haben.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Die Zerstrittenheit der eigentlichen Opposition – des bürgerlichen Lagers – ist sicher einer der Gründe. An erster Stelle dürfte aber die allgemein als gescheitert empfundene Regierungsführung des Sozialisten François Hollande stehen. Zuletzt von Forschungsinstituten verkündete leichte Konjunkturaufhellungen kommen bisher beim Bürger nicht an und könnten sich schnell als Strohfeuer entpuppen. Frankreichs sozialistischer Parlamentspräsident Claude Bartolone bezweifelt indes in der aktuellen Diskussion zum FN auch, daß eine wirtschaftliche Erholung politisch etwas ändern würde: Schließlich hätten in Österreich erst vor kurzem „30 Prozent die extreme Rechte gewählt, obwohl das Land nur vier Prozent Arbeitslose habe.“ Ungebremst steigt in Frankreich weiter das Mißtrauen gegen die Auswirkungen der Globalisierung, egal ob diese sich durch Einwanderung, die Euro-Krise oder die fortschreitende Deindustrialisierung und Ausländerkriminalität bemerkbar macht.

Aktuelle Projekte der linken Regierung, wie die Justizreform der bei vielen seit Einführung der Homo-Ehe verhaßten Justizministerin Christiane Taubira schütten weiter Öl ins Feuer: So sollen künftig Gefängnisstrafen nach dem Willen der Ministerin wesentlich leichter erlassen oder verkürzt werden, was sogar den sozialistischen Innenminister Manuel Valls aufbegehren läßt.

Gleichzeitig baut Marine Le Pen, die Vorsitzende des FN, mit einer „Frankreich-Tour bei den Vergessenen“ geschickt in der Provinz zusätzlichen Druck auf die Regierung auf. Wohl keine Partei bedient in Frankreich im Moment so umfassend die Seelenlage des „kleinen Mannes“, wie dies durch den FN geschieht.

Nachdem seit dem Aufweichen der „Republikanischen Front“ bei der Parlamentswahl auch das Mehrheitswahlrecht immer weniger eine Wahlsieg-Garantie für die etablierten Parteien im zweiten Wahlgang darstellt, gewinnt er dadurch massiv an Einfluß.

Für Deutschland bedeutet dies, daß eine von „rechten Austeritätsgegnern“ getriebene linke Regierung in Paris bei der Euro-Rettung ein immer unzuverlässigerer Kantonist werden dürfte. Wirtschaftsliberale, Staats-verschuldungsgegner und Freihandelsbefürworter geraten in der französischen Politik und Bevölkerung in jedem Fall immer stärker in die Minderheit. Bei einem mit dem Rücken zur Wand stehenden Tandempartner in Paris und in einer Koalition mit Eurobond-Freunden dürften die nächsten Jahre für eine Kanzlerin Angela Merkel sehr einsam werden.

Foto: Der Sieger der Kantonalwahl in Brignoles, Laurent Lopez, läßt sich am Wahlabend feiern (l.) / Front-National-Chefin Marine Le Pen: Prognosen sehen den FN bereits als stärkste Kraft in Frankreich

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