© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/13 / 25. Oktober 2013

Milliardär lehrt Etablierte das Fürchten
Tschechische Republik: Während Bürgerliche und Sozialdemokraten mit sich selbst beschäftigt sind, sorgt Unternehmer Babiš kurz vor der Wahl für Unterhaltung
Maria Pešeková

Am Anděl, einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte Prags, wird man ständig von verschiedenen Weltverbesserern angesprochen. Doch statt Tierschützern oder Hare-Krishna-Jüngern sind es nun die Parteien, die die Bühne beherrschen. Doch die Unterschiede sind groß. Während der Infostand der konservativ-liberalen ODS, die bis Juni dieses Jahres regierte, kaum Interessierte anlockt, herrscht in der Ecke des Polit-Neulings Andrej Babiš reges Treiben. Grund: Es werden Krapfen verteilt. Exemplarischer könnte die Szenerie kurz vor der vorgezogenen Parlamentswahl in Tschechien kaum sein.

Die ODS steht nach dem Rücktritt der Mitte-rechts-Koalition unter Premier Petr Nečas (ODS) mit dem Rücken zur Wand. Nečas hatte seinen Posten geräumt, nachdem die Chefin seines Kabinetts und zugleich seine Geliebte – und nunmehrige Ehefrau – Jana Nagyová verhaftet worden war. Zusammen mit drei ehemaligen ODS-Abgeordneten steht sie unter Korruptionsverdacht. Zudem wird Nagyová zur Last gelegt, den tschechischen Militärgeheimdienst für private Zwecke mißbraucht zu haben.

Während die bürgerliche ODS um das Überspringen der Fünfprozent-hürde bangen muß, wähnt sich die sozialdemokratische ČSSD bereits als sicherer Sieger. Sie liegt mit fast 30 Prozentpunkten an der Spitze der Umfragen – muß aber dennoch mit Unwägbarkeiten rechnen.

Diese werden durch die Aktivität des umtriebigen Präsidenten Miloš Zeman hervorgerufen. Bereits kurz nach der Demission des Nečas-Kabinetts nutzte Zeman das politische Vakuum und installierte sein eigenes linkes Kabinett. Dieses scheiterte zwar in einer Vertrauensfrage im Parlament, Zeman gibt jedoch nicht auf, seinen Einfluß auf die Politik auszudehnen. Als ehemaliger Vorsitzender der ČSSD hat er in der Partei noch immer zahlreiche Verbündete, die die Position des Parteivorsitzenden Bohuslav Sobotka immer wieder in Frage stellen.

Ein weiteres Instrument in Zemans Händen ist dessen eigene Partei „Bürgerrechte – Zemans Leute“ (SPOZ), die sich den Umfragen zufolge nahe der Fünfprozenthürde bewegt. SPOZ ist ein Zusammenschluß linker Ideologen und setzt sich zudem für mehr direkte Demokratie ein. Die Partei wurde 2009 mit einer klaren politischen Mission gegründet: Sie sollte der Rückkehr von Zeman in die hohe Politik dienen, was bei der Präsidentenwahl dann auch gelang.

Die größte Aufmerksamkeit im Wahlkampf erfährt jedoch die im November 2011 von Andrej Babiš gegründete Aktion unzufriedener Bürger (ANO). Erstmals übersprang die „Bewegung“ des Milliardärs Ende August die Fünfprozentmarke. Aktuell belegt sie mit über fünfzehn Prozent Platz zwei hinter den Sozialisten. Anklang findet die ANO vor allem unter enttäuschten Wählern, die aufgrund mehrerer Korruptionsaffären das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben.

Den Unmut in der Bevölkerung aufnehmend, verspricht die Bewegung eine neue, saubere Politik ohne Korruption. Zur Unterstützung seines Anliegens setzt Babiš, dem seine Gegner gern Populismus unterstellen, auf die Präsentation von Stars und Sternchen aus den Bereichen Sport und Showgeschäft. Doch auch Persönlichkeiten von rechts bis links, Publizisten, Diplomaten und Intellektuelle setzen auf die Ausstrahlung des 59jährigen, der, als Sohn eines kommunistischen Diplomaten, in Paris und in der Schweiz aufgewachsen ist und dessen Name auf der Agentenliste des kommunistischen Geheimdienstes stand.

Sich selbst bezeichnet Babiš als Selfmade-Unternehmer, der seinen Agrar- und Nahrungsmittelkonzern aus dem Nichts aufgebaut habe. Seinen Geschäftserfolg, der sich auch darin widerspiegelt, daß er im Juni das Verlagshaus Mafra kaufte, zu dem die zwei wichtigen Tageszeitungen Mladá fronta Dnes und Lidové noviny gehören, setzt Babiš geschickt im Wahlkampf ein und erklärt: „Ich will dieses Land wie eine Firma führen. Das heißt, anständig zu wirtschaften und den gesunden Menschenverstand einzusetzen“. Zugleich setzt er auf kurze Botschaften und propagiert „Arbeit für alle“, „Gleiche Regeln für alle“ und „Damit unsere Kinder hier leben können“. Ohne Unterlaß betont er sein Credo, Steuern senken und soziale Leistungen steigern zu wollen.

Auch in der Wirtschaft setzt der zweitreichste Mann der Republik auf klare, offene Worte: „Kleine und mittlere Unternehmen sind Klischee und Spinnerei. Wir müssen die große Industrie unterstützen. Die Hilfe für innovative Firmen ist zwar super, im Endeffekt aber Mist.“

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