© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/13 / 25. Oktober 2013

Ich bin noch da, und ich bleibe
Literatur: Martin Walsers neuer Roman „Die Inszenierung" ist eine Hommage an ihn selbst
Richard Stoltz

Ein Mann zwischen zwei Frauen, zwischen alteingeschliffener Ehe und aushäusiger „Beziehung“, zwischen ewigem Eros und momentaner sexueller Freigängerei, das Ganze deklariert als Erzählung, als Roman, doch dargeboten als Bühnenstück, als atemloser Dauerdialog ohne Erzähler, nur hin und wieder durchschossen von knappsten Regieanweisungen.

Wo sind wir hier? Nun, es ist Walserland. Wir sind in einem neuen Buch von Martin Walser (86), betitelt „Die Inszenierung“ (Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2013, 174 Seiten, 18,95 Euro). Ein berühmter Theaterregisseur, gerade mit der Inszenierung von Tschechows „Möwe“ beschäftigt, erleidet einen leichten Schlaganfall und kommt ins Krankenhaus, wo er sich alsbald in die Krankenpflegerin verliebt. Seine langjährige Ehefrau ist aber auch ständig anwesend, dazu weitere Besucher, man spricht über Liebe und Geschlechtsverkehr („GV“), über Kollegen und Debütanten, Anton Tschechow und William Shakespeare.

Wer das Werk von Walser nicht kennt, kann nichts mit dem Büchlein anfangen, findet gar nicht erst hinein, so intim und selbstbezüglich ist alles. Wer aber Walser kennt (und wer kennt ihn nicht?), der muß dauernd den Hut ziehen vor lauter alten Bekannten. Und er zieht ihn mit Respekt – und auch mit Wehmut. Denn die „Inszenierung“ ist hier ganz wörtlich zu nehmen. Walser inszeniert sich hier noch einmal selbst, und er tut es mit Verve.

Das Buch ist eine gewaltige Selbst-Hommage, aber mehr ist es leider nicht. Es geht im Grunde gar nicht um Liebe, Ehe, Seitensprung und GV, sondern die Botschaft lautet: „Ich bin noch da und gedenke, auch noch ein Weilchen dazubleiben.“ Aller inszenatorische Aufwand gilt der Herausarbeitung dieser Botschaft, die behandelten Themen haben einzig der Botschaft optimal zu dienen.

Das Buch gleicht dem Denkmal-Brunnen, den sie dem Dichter im heimatlichen Überlingen schon vor längerer Zeit errichtet haben. Soeben sind dort die Brunnenfiguren gründlich gereinigt und auf Hochglanz gebracht worden. Gut so!

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