© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/13 / 01. November 2013

Eine Frage des Geldes
Speyer: Auf der Demokratietagung geht Hans Herbert von Arnim hart mit der Entlohnung von Politikern ins Gericht
Tarras Maygutiak

Die Parteien haben sich den Staat zur Beute gemacht, ist einer der Sätze, den die meisten auf Anhieb Verfassungsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer zuordnen können. Neben diesem allumfassenden Thema, das von Arnim umtreibt, hat er noch weitere Pfeile im Köcher, die er regelmäßig auf die politische Klasse abschießt.

Etwa wenn es um die Bezahlung von Politikern geht. Daß die Diäten oder Amtsgehälter von Regierungsmitgliedern zu hoch sind, behauptet er per se nicht. Sehr wohl aber die gängige Praxis, wie diese zustande kommen. Bei der Speyerer Demokratietagung, zu der von Arnim einmal im Jahre Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Medien und Gesellschaft einlädt, stand vergangene Woche die Versorgung von Politikern und Managern im Mittelpunkt. „Wer regelt die Bezahlung von Politikern und wer sollte sie wie regeln?“ lautete die Leitfrage.

Die Grundgehälter hoher Amtsträger richteten sich in Deutschland traditionell nach den Beamten, erläutert von Arnim zunächst, wie es mit der Entlohnung im Regierungsviertel Berlins aussieht. Anteilig nach oben oder unten – je nachdem, ob Bundeskanzlerin, Minister oder parlamentarischer Staatssekretär – würden die Gehälter vom höchsten Beamten, dem Staatssekretär aus berechnet. Dieser stehe in der Besoldungsgruppe B11 und beziehe seit 1. August 12.508 Euro Grundgehalt, so von Arnim. Das Gehalt von Bundestagsabgeordneten orientiere sich an Bundesrichtern der Besoldungsgruppe R6 und an Bürgermeistern der Besoldungsgruppe B6. Allerdings gebe es keine automatische Koppelung. Diese habe das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Diätenurteil 1975 als verfassungswidrig untersagt. Die Entschädigung eines Abgeordneten liegt heute bei 8.252 Euro, Bundesrichter beziehen 956 Euro mehr. „Der Präsident und die nunmehr sechs Vizepräsidenten des Bundestages erhalten die doppelte beziehungsweise die eineinhalbfache Entschädigung“, berichtet von Arnim. Inkonsequenterweise orientierten diese sich keineswegs an den Richtern oberster Bundesgerichte. Dort beziehen Präsident und Vizepräsident lediglich 42 beziehungsweise 15 Prozent mehr als ein Bundesrichter.

In Brüssel und Straßburg läuft es ähnlich. „Im Grunde dasselbe System, allerdings auf höherem Niveau, besteht auch auf EU-Ebene“, so der Verfassungsrechtler. Dort kämen bei allen Amtsträgern jedoch noch erhebliche, zum Teil steuerfreie Zulagen hinzu. Abgeordnete erhielten unter anderem zudem noch eine steuerfreie Kostenpauschale von monatlich 4.299 Euro sowie ein Tagegeld von 304 Euro. Damit nicht genug. Sowohl Bundestags- als auch Europaabgeordnete könnten rechtlich unbeschränkt noch einen privaten Beruf ausüben und dazuverdienen, führt von Arnim aus. Obendrein winkten stattliche Versorgungsansprüche. Halten sich die Parlamentarier nicht zuletzt wegen der Wirkung in der Öffentlichkeit bei den Diätenerhöhungen noch vergleichsweise zurück, so langten sie an anderer Stelle in den vergangenen Jahren immer wieder kräftig zu. Und zwar bei der monatlichen Mitarbeiterpauschale und der Kostenpauschale. Betrug die Mitarbeiterpauschale 1991 noch 6.000 Euro pro Abgeordnetem und Monat, so lag sie 2003 bereits bei 8.000 Euro, heute sind es stolze 16.000 Euro. Mit der Kostenpauschale von derzeit 4.123 Euro sind es also über 20.000 Euro zusätzlich, die der Abgeordnete monatlich zu seiner 8.252 Euro hohen Entschädigung bekomme.

Die Erhöhungen werden von der Öffentlichkeit kaum bemerkt: „Das wird nicht per Gesetz, sondern lediglich im Haushaltsplan geregelt“, sagt von Arnim. Die Mitarbeiterbeschäftigung gehe leicht in eine „verschleierte staatliche Parteienfinanzierung über“. Das sei jüngst in Bayern deutlich zu sehen gewesen: „Mitarbeiter, die laut Abgeordnetengesetz nur zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit des Abgeordneten eingesetzt werden dürfen, wurden in großem Umfang als Wahlkampfhelfer zweckentfremdet“, moniert von Arnim. Doch wer sollte entscheiden, wie hoch Entschädigungen und Bezüge sein sollen? Und wie sieht es mit der öffentlichen Kontrolle aus?

Eine Möglichkeit wäre, das Volk entscheiden zu lassen. Auf Landesebene sieht von Arnim für eine solche Lösung kein Problem. Besoldung dürfe zwar nicht Gegenstand von Volksentscheiden und -begehren sein, „Abgeordnete werden im Rechtssinne aber nicht besoldet“, betont er. Die Alternative sei eine beratende Kommission. Hier zweifelt von Arnim allerdings auch an, ob eine solche tatsächlich unabhängig sei. Eine entscheidende Kommission, wie sie die FDP einmal ins Gespräch gebracht hatte, dürfte allerdings verfassungsrechtlich gar nicht zulässig sein, meint von Arnim.

Wie es der Verfassungsrechtler auch dreht und wendet, die Zuhörer in Speyer merken, daß das Thema etwas von der Quadratur des Kreises hat. Ein Kompromiß wäre ein durch öffentliche und gerichtliche Kontrolle eingehegtes parlamentarisches Entscheidungsverfahren, schlägt er zum Schluß vor: „Dann müssen die öffentliche und die richterliche Kontrolle aber wirklich in Funktion gehalten und dürfen nicht durch die politische Klasse ausgehebelt werden“, mahnt der Verfassungsrechtler.

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