© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/13 / 01. November 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Die konservative Revolution fällt aus
Marcus Schmidt

Das Hauptziel des Berliner Kreises ist es, den Erfolg der Union bei den nächsten Wahlen sicherzustellen.“ Angesichts des Abschneidens von CDU/CSU bei der Bundestagswahl könnte man sagen: Das Sammelbecken der letzten Konservativen in der Union hat seine Mission erfüllt. Denn schließlich hatte der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner, von dem diese Zielvorgabe stammt, beim ersten öffentlichen Auftritt des Berliner Kreises Anfang November 2012 die These aufgestellt, die Union könne Wahlergebnisse von 40 Prozent plus x künftig nur erreichen, wenn sich die Partei auf ihre Stammwähler fokussiere. Dafür müsse die Union wieder mehr konservatives Profil wagen. Sind die 41,5 Prozent, die CDU/CSU am 22. September erreicht haben, also Ausdruck des Erfolges des nur rund 30 Mitglieder zählenden Berliner Kreises?

Natürlich nicht. Denn genau ein Jahr nach dem ersten und bislang einzigen Auftritt des Kreises wissen nicht nur dessen Mitglieder: Die Union hat ihren Wahlerfolg nicht errungen, weil sie auf konservative Themen gesetzt hat. Im Gegenteil. Die bittere Wahrheit lautet: Die Bundestagswahl hat gezeigt, daß die Union nicht mehr auf konservative Wähler angewiesen ist, um ein Wahlergebnis von 40 Prozent plus x zu erreichen.

Und es kommt für die verbliebenen Konservativen noch schlimmer. Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen mit der SPD muß der Kreis, zu dessen prominentesten Mitgliedern neben Wagner die Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach, Thomas Dörflinger und Thomas Bareiß sowie der sächsische Fraktionsvorsitzende Steffen Flath gehören, feststellen, daß weitere konservative Positionen zur Disposition gestellt werden. „Ich sehe keinen Grund, warum wir unsere Haltung zum Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partner oder beim Staatsbürgerschaftsrecht aufgeben sollten“, sagte Bosbach fast schon flehentlich in Richtung Parteiführung.

Wie wenig Einfluß die CDU-Konservativen noch haben, zeigt vor alle die anhebende Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft. Noch im Juni hatte der von Bosbach geführte Innenausschuß des Bundestages mit einer Expertenanhörung gegen die von SPD,Grünen und Linkspartei geforderte Abschaffung der Optionspflicht gekämpft. Offenbar vergeblich, wie sich jetzt zeigt.

Solange der Berliner Kreis in Cafés tagte und seine offizielle Gründung als permanente Drohung für die Parteiführung durch das Regierungsviertel waberte, verfügten seine Mitglieder über einen gewissen Einfluß. Sogar Generalsekretär Hermann Gröhe und auch der frühere CDU-Chef Wolfgang Schäuble sahen sich genötigt, sich zu dem Thema zu äußern. Doch damit ist es vorbei.

Vor einem Jahr saßen mit Wagner und Flath immerhin zwei Fraktionsvorsitzende der Union mit am Tisch. Doch auch darüber ist die Zeit hinweggegangen. Wagner gehört dem hessischen Landtag nicht mehr an, Flath hat ebenfalls seinen Rückzug angekündigt. Ob der Berliner Kreis seinen zweiten Geburtstag erleben wird, muß daher bezweifelt werden.

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