© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/13 / 08. November 2013

Scharia erobert die Börse
Großbritannien: Premier David Cameron stößt mit seinen Plänen einer islamfreundlichen City of London nicht überall auf Gegenliebe
Marc Zöllner

Es ist ein großes Stück vom Kuchen, welches sich Großbritannien schmecken lassen möchte: Über 230 Millionen Euro, versprach Premier David Cameron auf dem Islamischen Weltwirtschaftsforum, wolle die Regierung ab 2014 jährlich für Anleihen nach islamischem Recht bereitstellen. Zwar sei London bereits „das größte Zentrum für islamische Finanzen außerhalb der islamischen Welt“, so Cameron. Mit der geplanten schariakonformen Kreditvergabe wolle London künftig „in einer Reihe neben Dubai und Kuala Lumpur als eine der Hauptstädte des islamischen Finanzwesens stehen.“

Sukuk, so nennen Moslems ihre traditionelle Art des Geldverleihens. Im Islam stellt die Zinsvergabe eine der sieben Todsünden dar. Streng gläubigen Moslems ist es von daher bislang nicht möglich, Bankgeschäfte nach westlichem Vorbild zu tätigen. Dem möchte Großbritannien nun als erster europäischer Staat dauerhaft abhelfen.

Tatsächlich stellen die Sukuk ein rapide wachsendes Segment auf dem Finanzmarkt dar. Zwar halten sie erst ein knappes Prozent der weltweiten Investitionsgeschäfte, trotzdem rund ein Viertel der Menschheit islamischen Glaubens ist. Seit 2006 und trotz der Wirtschaftskrise versechsfachten sich jedoch die Neuemissionen an islamischen Anleihen von rund 20 Milliarden Euro auf über 120 Milliarden Euro, und das Gesamtvolumen der zinsfreien Kredite wuchs sogar von etwa 400 Milliarden Euro auf stolze 1,3 Billionen Euro an.

Wie funktionieren die Sukuk? Generell sind vier Arten dieser Anleihe zu unterscheiden. Bei der Wakala tritt der Gläubiger als Agent des bezuschußten Unternehmens auf und wird selbst als Zwischenhändler sowie Netzwerker aktiv. Die Muscharaka stellt wiederum ein klassisches Joint Venture dar, bei welcher Gläubiger und Schuldner sich Profite sowie Risiken der Geschäfte teilen. Bei der Mubaraha wiederum versorgt der Geldgeber seinen Geschäftspartner mit eigenständig gekauften Gütern, die zwar von Beginn an auf den Namen des Gläubigers eingetragen werden, deren Kosten von diesem jedoch in Raten zu einem höheren als dem marktüblichen Wert abgetragen werden müssen.

Worauf Cameron jedoch zielt, ist die weitaus profitträchtigere Idschara, die auch den Großteil der Sukuk im Wechselgeschäft zwischen Individuen und Staaten ausmacht. Hierbei werden sich in Regierungshand befindende Gebäude als Bedingung an die Kredit beantragenden Unternehmen vermietet oder verpachtet. Mit den Mieteinnahmen zahlt der Staat wiederum die Gläubiger aus. „Wenn das islamische Finanzwesen um 50 Prozent schneller wächst als die klassischen Bankengeschäfte“, so Cameron, „möchten wir sicherstellen, daß ein beachtlicher Anteil dieser Investitionen hier in Großbritannien getätigt wird.“

Doch Camerons Pläne ziehen auch Kritik nach sich. „Um die Sukuk schariakonform zu halten, ist es notwendig, diese aus dem Einflußbereich der zivilen Gerichte Großbritanniens zu entfernen und islamischen Gerichten zu unterwerfen“, warnt die rechtsliberale UK Independence Party. Auch der anglikanische Würdenträger Michael Nazir-Ali mahnt die konservative Regierung zu überlegterem Handeln: „Mit diesen Verpflichtungen wird die britische Regierung selbst zum Subjekt der Scharia werden“, so der aus Pakistan stammende Geistliche.

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