© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/13 / 08. November 2013

Tät als wie ein Löwe fechten
Im 350. Geburtsjahr Prinz Eugens von Savoyen: Eine gelungene biographische Annäherung
Sebastian Hennig

Unser Bild von Prinz Eugen von Savoyen entspricht einer personifizierten Darstellung europäischer Selbstgefährdung und Selbstbehauptung. Unter dem wirkungsvollen Titel „Prinz Eugen. Heros und Neurose“ haben nun zwei Wiener eine neue Biographie des Feldherrn, Politikers und Mäzens verfaßt.

Konrad Kramar und Georg Mayrhofer sind beide nicht ganz fünfzig Jahre alt und doch können sie sich erinnern, daß ihnen in der Volksschulzeit der Prinz noch als epochale, sagenhafte Gestalt vermittelt wurde. Sie bringen nun ihrerseits eine ebenso anspruchsvolle wie überschaubare Darstellung dieser Persönlichkeit, indem sie den „Menschen hinter dem Mythos“ als „vielschichtig, genial, seiner Zeit weit voraus, von Ängsten getrieben und von Zwängen bestimmt“ beschreiben. Die Versiertheit im journalistischen Handwerk kommt ihnen dabei zugute. So schreiben sie spannend und flüssig, ohne romanhaft auszuufern oder spekulativ-sensationell abzuirren.

In acht Kapiteln wird ein Leitfossil der Epoche vorgeführt. Selten sind derartige Bücher geworden, die einerseits ihren Gegenstand dem durchschnittlichen Lesepublikum zugänglich machen, ohne sich dabei andererseits dem verhängten Zeitgeist völlig zu ergeben. Dieser verwebt so manche Gestalt, die früher monumental verherrlicht wurde, heute in ein Gespinst psychologisierender Nebensächlichkeiten. Bei Kramar und Mayrhofer dagegen sind kurze Andeutungen hinsichtlich eines möglichen Mißbrauchs des Knaben und der vermuteten späteren Ausrichtung auf das eigene Geschlecht nicht viel mehr als Randbemerkungen.

Eugen war der Sohn von Olympia Mancini, einer in Ungnade gefallenen Mätresse von Ludwig XIV. Seine Kindheit war verschattet, die Aussichten ernüchternd. Zu einer geistlichen Laufbahn bestimmt, drängte er in die Flucht nach vorn, dem Kriegsdienst zu. Frankreich verweigerte ihm wegen seiner schwächlichen Konstitution eine standesgemäße militärische Bewährung. So setzte er sich zum kaiserlichen Heer ab und bewährte sich zuerst 1683 während der Verteidigung Wiens gegen die Osmanen bei der Schlacht am Kahlen Berge.

Zehn Jahre später ist er dann bereits Feldmarschall. 1703 wird Eugen zum Präsidenten des Hofkriegsrates ernannt. Im Gegensatz zu vielen Feldherren, deren Genius sich nur auf dem Schlachtfeld bewährte, ist er auch mit diplomatischen Wassern gewaschen. Dabei bleibt sein Einfluß nie unangefochten. Er muß sich in zahlreichen Intrigen behaupten und kann den Gipfel seines Ruhms schließlich im Venezianisch-Österreichischen Türkenkrieg erklimmen. 1716 siegt er bei Peterwardein. Die Belagerung und Einnahme von Belgrad im Jahr 1717 begründen seinen Mythos, der sich unmittelbar im Volkslied „Prinz Eugen der edle Ritter“ – „tät als wie ein Löwe fechten...“ – niederschlägt. Der Anhang des Buches enthält die Wiedergabe einer Notenhandschrift von 1719.

Der Stern des sagenhaften Savoyers stand damals im Zenit. Friedrich der Große hat ihn später als den eigentlichen Kaiser jener Jahre bezeichnet. 1718 beendet der Frieden von Passarowitz die Türkenkriege vorerst. Auch Serbien, das Banat und Teile der Walachei kommen nun zu Österreich. Der Tatenruhm des Kriegers ordnet wohl die Welt, darüber hinaus hinterläßt er keine hervorragenden Einzeldenkmale, sofern er sie sich nicht selbst zu setzen versteht.

Eugens Verdienste als Baumeister und Förderer der Künste und Wissenschaften werden in mehreren Kapiteln dargestellt. Seine Höflichkeit und Zuverlässigkeit gegenüber den gebildeten Gesprächspartnern wird hervorgehoben und gezeigt, daß sich sein Verantwortungsgefühl auch auf die einfachen Bauleute erstreckte, deren Einkommen an seine baulichen Unternehmungen gebunden waren.

So tragisch wie dieses heroische Leben begann, endete es auch. Im Polnischen Erbfolgekrieg entgleitet dem von Krankheit gepeinigten Prinz der Feldherrnstab. Er vermag keine wirksamen Entscheidungen mehr zu treffen und muß dem Kaiser schließlich eingestehen, daß er „den Unterschied gar wohl begreife, wie dero Truppen ehedem waren und wie sie nun sind“.

In seinem letzten Brief schreibt Prinz Eugen: „Ich setze an die Stelle der Gesundheit seit jeher die Seelenruhe. – Diese ist zwar an den Höfen nicht gekannt, aber ich hielt sie von jeher für die größte Gesundheit in dem gefährlichsten Zustande des Menschen.“ Verheiratet war er nie. Spottgedichte präsentierten ihn darum als einen Mars ohne Venus. Sein materielles Lebenswerk fiel mangels Testament einer unwürdigen Erbin zu, die es zu verschleudern begann. Nur die Intervention des Kaisers vermochte den völligen Ausverkauf abzuwenden.

Aus seiner Bücherei erwuchs die Österreichische Nationalbibliothek. In Wien lassen zwei Bildwerke die Spanne zwischen feiner Nervosität und übermenschlicher Willensanstrengung deutlich werden. Noch zu Lebzeiten des Dargestellten entstand die „Apotheose des Prinz Eugen“ von Balthasar Permoser. Die theatralische Marmorplastik des schmächtigen Türkenbezwingers ist im Oberen Belvedere aufgestellt. Der bärtige Bildhauer hat sich als überwundener Türke unter dem Stiefel des feingeistigen Prinzen dargestellt, der von Genien
umgeben ist. Der Prinz selbst hat die Skulptur nicht gemocht. Vielleicht hätte ihm das durch Kaiser Franz Josef veranlaßte Reiterstandbild am Heldenplatz besser gefallen. Es zeigt den Geharnischten in bester Haltung mitsamt dem massigen Pferd zu einem zentaurischen Riesen verschmolzen. So stieg Eugen posthum noch einmal zu steilem Nachruhm empor.

Zwischen den gleichermaßen unhistorischen Extremen einer maßlosen Monumentalisierung und einer schnöden Herabwürdigung findet das Buch einen angemessenen Ton, der für seinen Gegenstand einnimmt.

Konrad Kramar, Georg Mayrhofer: Prinz Eugen. Heros und Neurose. Residenz Verlag, St. Pölten 2013, gebunden, 253 Seiten, Abbildungen, 21,90 Euro

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