© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Streit um Aktbilder in Berliner Volkshochschule
Absurde Rituale
Michael Paulwitz

Du sollst keinem Muslim Anlaß zum Beleidigtsein geben, lautet eines der vielen ungeschriebenen Gebote der Kirche vom heiligen Zeitgeist. Deren Gläubige vollführen gern absurde Rituale: Sie zensieren Karikaturen und Theaterstücke, sie hängen Aktbilder in einer Berliner Volkshochschule ab, nur für den Fall, einer oder eine jener leicht zu Beleidigenden könnte sich dorthin verirren. Sie sind sogar bereit, den Namensgeber aus dem Sankt-Martins-Fest mit „Sonne, Mond und Sterne“ zu überpinseln, auch wenn sich all die Jahre noch gar kein Muslim über ihn beschwert hat.

Mit „Integration“ hat das am allerwenigsten zu tun. Wohin soll sich ein Einwanderer auch einfügen, wenn die Aufnahmegesellschaft das Eigene in vorauseilendem Gehorsam selbst ausradiert? Eher schon geht es darum, mit aufgeblasenen Scheinproblemen sich selbst und andere in willfährige Dauerhysterie zu versetzen. Die mangelnde Anpassungsbereitschaft muslimischer Einwanderer wäre ein weitaus geringeres Problem, gäbe es nicht all die einheimischen Anbiederer und Resonanzverstärker, die aus Wichtigtuerei Extrawürste braten, die überhaupt niemand bestellt hat.

Daß die Meinungsfreiheit in den neuen Medien immer öfter dazu führt, solche Auswüchse bloßzustellen und Widerstand dagegen zu mobilisieren, ist immerhin ermutigend.

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