© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Warten auf den Schlußakkord
Untersuchung von Arafats Leichnam: „Moderate Wahrscheinlichkeit“ verwirrt die Akteure
Thorsten Brückner

Ist der frühere Palästinenserpräsdient Jassir Arafat einem Mordkomplott zum Opfer gefallen? Der Untersuchungsbericht Schweizer Wissenschaftler, die im November vergangenen Jahres zusammen mit Kollegen aus Frankreich und Rußland am Grab des 2004 verstorbenen palästinensischen Nationalhelden in Ramallah Gewebeproben entnahmen, kommt zu einem relativ eindeutigen Ergebnis. Es bestehe eine „moderate Wahrscheinlichkeit“, daß Arafat mit Polonium-210 vergiftet wurde.

Die in seinem Körper gefundene Menge sei um das 18fache über dem Normalwert. Bereits ein Millionstel Gramm des radioaktiven Gifts ist tödlich. Anlaß zu Spekulationen gibt auch der unveröffentlichte Bericht des russischen Teams, der vergangene Woche in Ramallah von der palästinensischen Untersuchungskommission vorgestellt wurde. Dabei wurde klar, daß dieser anders als der Bericht der Schweizer Lancet-Kommission die These vom Strahlentod nicht stützt. Die Beweise hierfür seien „nicht ausreichend“.

Laut dem jordanischen Arzt Abdullah Bashir, Mitglied der palästinensischen Kommission und einer von Arafats Ärzten, sei aber sowohl die These eines unnatürlichen Todes als auch die Tatsache, daß sich erhöhte Mengen an Polonium in seinem Körper befunden haben, durch die Berichterstattung bestätigt.

Die Reaktion von palästinensischer Seite fiel dementsprechend aus. Der Chef des palästinensischen Komitees, Tawfiq Tirawi, Arafats früherer Geheimdienstchef, unterstrich, Israel sei der „erste, wesentliche und einzige Verdächtige bei der Ermordung Arafats“. „Abu Ammar starb nicht an Alter, Krankheit oder einem natürlichen Tod“, betonte Tirawi unter Bezug auf Arafats alten Kampfnamen.

Selbst Arafats Witwe Suha die noch unmittelbar nach dem Tod des Palästinenserpräsidenten eine klärende Autopsie abgelehnt hatte, wollte soweit nicht gehen. Sie sprach im Gegenteil von Leuten aus Arafats innerem Zirkel, die ihm „eine Art Puder in seinen Tee“ getan hätten. „Man muß schon nahe an ihn rangekommen sein um zu wissen, daß er es auch wirklich nahm“, erklärte sie gegenüber dem amerikanischen Sender ABC.

Zum Zeitpunkt der angeblichen Vergiftung stand Arafat in Ramallah unter Hausarrest. Israel weigerte sich ihm zu erlauben, selbst innerhalb der Palästinensergebiete zu reisen. Wenn es zu einer Vergiftung kam, muß sie demzufolge in Ramallah passiert sein. Israels Energieminister und Außenminister zur Zeit von Arafats Tod, Silvan Shalom, stellte klar: „Daß Israel ihn vergiftet haben soll, ist kompletter Nonsens und eine Lüge.“

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen