© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Willkommen in der Realität
Euro-Krise: Die Einführung von Eurobonds brächte erhebliche Umverteilungseffekte und Fehlanreize mit sich
Dirk Meyer

Obwohl George Soros vor mehr als fünf Jahrzehnten nach Amerika auswanderte, fühlt sich der „legendäre US-Großinvestor“ (Spiegel) mit Europa noch immer verbunden. Die Stiftungen des aus Budapest stammenden Fondsmanagers unterstützten beispielsweise vor und nach der Wende Dissidenten und die Demokratiebewegungen in den Ländern des früheren Ostblocks. Und seit Ausbruch der Euro-Krise kommt Soros bei seinen Besuchen auf dem Alten Kontinent immer auf ein Thema zu sprechen: Eurobonds.

Und Soros steht mit seiner Forderung nach staatlichen Schuldtiteln mit gemeinschaftlicher Haftung nicht allein. Eurobonds sind Dreh- und Angelpunkt der Frage, in welche Richtung sich die Euro-Zone zukünftig bewegen soll. Bereits 2010 unternahmen der Chef der Euro-Gruppe, der damalige luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker, und Silvio Berlusconis Finanzminister Giulio Tremonti einen ersten Vorstoß.

Es folgte 2011 ein Grünbuch der EU-Kommission zu „Stabilitätsanleihen“, 2012 brachte der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung den Schuldentilgungsfonds ins Gespräch. Neuerdings sieht auch der von der früheren französischen Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde geführte Internationale Währungsfonds (IWF) in den Eurobonds einen zentralen Baustein für eine europäische Fiskalunion (JF 42/13).

Dabei sind Eurobonds im Krisenmodus der Politik der Rettungsschirme (EFSF, ESM) bereits unterschwellig Realität. So haften die Mitglieder für Garantien und Kredite der Rettungsschirme bereits anteilig. Eine implizite Haftung beinhalten ebenso die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die Target-Kredite, deren Brisanz Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn in seinem Buch „Die Target-Falle – Gefahren für unser Geld und unsere Kinder“ (JF 44/12) umfassend erläutert.

Zentral geht es um die Schuldentragfähigkeit der Krisenstaaten. Sie hängt von der Bedienung aus nachhaltigem, verfügbarem Einkommen beziehungsweise der Wirtschaftsleistung eines Landes ab. Daneben können Sicherheiten die Tragfähigkeit steigern: Gold, Immobilien, Beteiligungen, Infrastruktur oder eben fremde Sicherheiten. Eurobonds machen die Schuldentragfähigkeit der gesamten Euro-Zone zugunsten der instabilen Länder nutzbar.

Die Euro-Krisenländer beanspruchen de facto den Haftungspool der solventen Mitglieder als externe Sicherheit. Damit sinkt das Kreditrisiko für die Anleger und Fondsmanager, die deshalb allerdings weniger Zinsen verlangen können. Um die Finanzmärkte glaubhaft zu beruhigen und damit den Zugang der Krisenstaaten offenzuhalten, müssen die Kreditmittel jedoch unbegrenzt, ohne Auflagen und zu niedrigen Zinsen zugänglich sein. Dies erklärt auch die Diskussion um eine Banklizenz für den ESM sowie die Lockerung der Auflagen für die Kreditvergabe. Gleiches gilt für das Anleiheankaufprogramm Outright Monetary Transactions (OMT) der EZB, das – volumenmäßig unbegrenzt und jeglicher parlamentarischer Kontrolle entzogen – besonders attraktiv und wirksam erscheint.

Eurobonds erlauben den Zugang der Krisenländer zum Kapitalmarkt auch bei Versagen dieser fiskalischen und monetären Rettungsschirme. Sie vermeiden die offene Insolvenz und dienen als Ersatz für eine fehlende EU-weite Fiskalpolitik. Damit wird ein zentraler Schritt in Richtung einer bundesstaatlichen Transferunion getan. Allerdings behindern derzeit noch rechtliche Bedenken hinsichtlich des Beistandsverbots der EU wie auch des deutschen Haushaltsrechts die Einführung.

Bei einer öffentlichen Gesamtverschuldung der 17 Euro-Länder von 8,8 Billionen Euro ermöglichen Eurobonds einen homogenen Euro-Anleihemarkt, der aufgrund seines hohen Handelsvolumens gewisse Vorteile böte. Die Schaffung dieser Anleiheklasse würde die Steuerung der Geldpolitik der EZB vereinfachen und die Refinanzierung der Banken erleichtern. Der Spekulation gegen einzelne Mitgliedstaaten wäre der Boden entzogen. Was aus Sicht der Krisenländer wünschenswert wäre, ist unter volkswirtschaftlichen Aspekten jedoch höchst fragwürdig.

Mit der Einführung von Eurobonds sind erhebliche Umverteilungseffekte verbunden. Sie sind für das jeweilige Land um so größer, je höher der Zinsunterschied der nationalen Staatsanleihen gegenüber den Eurobonds ist. Mit dem Umfang der als Eurobonds begebenen Staatsschulden wirkt sich dieser Effekt auf die Zinslast aus. Für die solventen Mitglieder kommen bei gesamtschuldnerischer Haftung die tatsächlichen Ausfallkosten hinzu, da hier nicht nur für den eigenen Anteil, sondern auch für die anderen (ausfallenden) Anteile gehaftet wird. Schätzungen geben die Zusatzkosten bei einer vollständigen Umstellung für Deutschland mit 20 bis 47 Milliarden Euro jährlich an. Damit verbunden ist ein Mangel an Transparenz, denn die Mehrkosten sind zwar haushaltswirksam, aber in der Höhe nicht explizit offengelegt. Dies erleichtert die Durchsetzung gegen politische Widerstände, da das Ausmaß der geleisteten Transfers verschleiert werden kann.

Die unentgeltliche Risikoabwälzung der Krisenstaaten stellt eine Versicherung ohne Gegenleistung dar, die Fehlanreize erzeugt. Notwendige Strukturreformen werden weniger dringlich. Der Marktmechanismus, der steigende Renditen als gewollten Korrekturmechanismus beinhaltet, wird außer Kraft gesetzt. Die Zinssubventionierung führt zu einer Kapitalfehlleitung in die instabilen Länder.

Umgekehrt zeigt der Zinsanstieg in den stabilen Mitgliedstaaten die Gefahren einer Schwächung durch eine Haftung für Zahlungsausfälle anderer Mitglieder. Dieser Zinsanstieg könnte sich in Deutschland bei Hypothekenkrediten und Unternehmensanleihen fortsetzen, da Investoren Steuererhöhungen und Vermögensabgaben im Krisenfall erwarten. In der Folge wandert Kapital in die Krisenländer und in das übrige Ausland – mit negativen Wachstumseffekten für die unterstützenden Staaten.

Im Gegensatz zu den EU-Politikern bestreitet George Soros die möglichen negativen Auswirkungen nicht. Und er ist so ehrlich, offen zu fordern: Deutschland müsse zur Euro-Rettung eben „mehr Verantwortung übernehmen“.

 

Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. In seinem jüngsten Buch „Euro-Krise. Austritt als Lösung?“ (Lit Verlag 2012) analysiert er Alternativen zur Euro-Rettungspolitik.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen