© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Mit Tränen in den Augen
Vom Scheunenfest in den Liebeshimmel: „Bauer sucht Frau“ lockt Millionen Fernsehzuschauer an
Tobias Westphal

Halbzeit bei „Bauer sucht Frau“: Kommenden Montag läuft die fünfte von neun Folgen der aktuellen Staffel. Bis zu 6,5 Millionen Fernsehzuschauer konzentrieren sich jeden Montagabend auf dieses anspruchsvolle Unterhaltungsformat, präsentiert von einer dauerfröhlichen Inka Bause und ausgestrahlt natürlich von RTL, denn das „N“ in RTL steht für Niveau.

Wobei der einfache Titel der Sendung täuscht. „Bauer sucht Frau“ ist viel mehr als nur ein kopfloser Hühnerhaufen liebestoller Landwirte. Es ist sozusagen ein ländlicher Liebesrausch der Romantik und halb Deutschland zittert mit, ob die Bauern ihre zukünftigen Bäuerinnen auch in dieser neunten Staffel finden werden. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn „Bauer sucht Frau“ hat in den vergangenen neun Jahren immerhin zehn Hochzeiten und sechs Kinder zur Folge gehabt.

Das Liebesglück wird eingeleitet, indem Moderatorin Inka Bause den Landwirten die „Liebespost“ überbringt. Obwohl RTL schon Wochen vorher deutschlandweit nach einsamen und verzweifelten Frauen gesucht hat, wundert man sich nicht, daß mancher Landwirt trotzdem nur zwei Zuschriften erhält.

Bei näherer Betrachtung der Liebespost scheint es bei den Damen heutzutage üblich geworden zu sein, ein kariertes Blatt Papier lieblos aus einem Block herauszureißen, um es dann – neben dem Liebesgeschreibsel – mit Aufklebern von kleinen Kätzchen oder bunten Herzchen zu verzieren. Wahrscheinlich erinnert man sich an den zuletzt geschriebenen Brief in der Grundschule und worauf es schon damals ankam. Die Bauern sind von soviel Aktionismus der interessierten Damen ausnahmslos tief beeindruckt: „Die ist bestimmt tierlieb, weil sie Fotos von Katzenbabys auf den Brief geklebt hat.“

Nachdem der Landwirt nun mühevoll – natürlich in Zusammenarbeit mit Vater und Mutter, denn die kennen sich da besser aus – zwischen seinen Zuschriften und den Tieraufklebern gewählt hat, welche zwei Frauen er zum „Scheunenfest“ einlädt, begibt man sich auch schon zu selbigem. Das Scheunenfest hat zunächst den Charme einer ersten Tanzstunde, in der sich die Partner schwitzend und nervös in einer Reihe gegenüberstehen und sich mustern.

Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben sich alle herausgeputzt, so manches Dekolleté wäre jedoch besser verborgen geblieben. Stolz trägt Steffen, schüchterner Tierzüchter, 32 Jahre alt, „Hof ist bestellt, jetzt fehlt noch die Frau“, bei dem Fest seine Uniform der freiwilligen Feuerwehr und beschenkt seine zwei Herzensdamen mit einer Wurst in Herzform. Steffen hatte noch nie eine Beziehung, da verschenkt man schon mal gerne seine Wurst an Frauen.

Sozial auffällig geworden ist beim Scheunenfest auch der Obstbauer Albert, 52 Jahre alt; auf dem Hof leistet ihm nur Stallhase Hansi Gesellschaft. Vor dem Scheunenfest schneidet sich Albert mit einer Schere die Brusthaare und läßt auch sonst nichts anbrennen. Zunächst teilt der „herzliche Hesse“ seinen beiden Frauen mit, was er wirklich mag: Sauerkraut und Rippchen und natürlich Kartoffelpuffer.

Nachdem er ihnen auch noch klargemacht hat, daß er „ein ganz normaler Albert“ sei, was jeder noch nüchterne Fernsehzuschauer im gleichen Augenblick stark anzweifelt, kommt der ultimative Angriff. Für jeden anderen Mann wären die Frage „Wie gefalle ich euch so?“ und die Erklärung „Ich habe mich schick gemacht, weil ich heute die Frau fürs Leben finden möchte. Das wird mit einfacher Hose nicht gehen“ der absolute Smalltalk-Overkill, für den Landwirt von Welt jedoch ein ganz normales, erstes Gespräch. Albert entscheidet sich zwischen seinen beiden Frauen und ist ob seiner Wahl selber zu Tränen gerührt. Mehr Emotionen des Obstbauern in schicker Hose konnte man in der ersten der neun Folgen nun wirklich nicht vertragen.

Während der sich anschließenden Hofwoche lernt man die Bauern und ihre Marotten erst so richtig kennen. Natürlich gibt es auch einen schwulen Schweinebauern, der einen Mann sucht – und die lesbische Bäuerin Lena aus Ostfriesland, die eine feminine Frau, die Schweizer Modedesignerin Janine, zur Hofwoche eingeladen hat. Lena holt ihren Gast mit dem Trecker und einem Anhänger, geschmückt mit bunten Luftballons und einer Liegewiese auf Strohballen, vom Bahnhof ab. So etwas passiert halt auf dem Land, wenn die Bäuerin dem in einer Parallelwelt lebenden RTL-Redakteur nicht widerspricht.

Währenddessen schlachtet Hobbybauer Helmut („Brauche Hilfe im Haushalt“) für die ehrenamtliche Sterbebegleiterin Angie einen Erpel und bereitet ihn als Mittagessen zu, um nach dem Verspeisen des Erpels anschließend abends mit Angie am Lagerfeuer sitzend zu grillen. Er stellt klar, daß er für sie durchs Feuer gehen würde, aber nur wenn es nicht brennt. Als letzte seiner Stärken liest er ihr ein selbstgeschriebenes Gedicht vor, doch Angie glaubt nicht, daß er wirklich Interesse an ihr hat und geht. Helmut ist auf den Eisberg der Liebe aufgelaufen und muß sich einsam am Lagerfeuer wärmen.

Kuhbauer Brian empfängt Sylvia in weißen Socken und Sandalen zur Hofwoche. Er hat das Gästebett stilvoll mit einer Leopardenbettwäsche bezogen, Sylvia stört sich indes jedoch an der mangelhaften Sauberkeit im Bad. Brian tanzt und singt für sie wie ein Duracell-Häschen, das einen Stromschlag erhalten hat, und ist der Meinung, daß es Sylvia gefallen hat, weil sie Tränen in den Augen hatte. Hatten die Zuschauer im übrigen auch.

Unterdessen deckt der tierliebe Thüringer Steffen den Kaffeetisch auf der Terrasse und holt danach Nicole von der Bushaltestelle ab. Mama hat Kuppeltorte gebacken und „Bauer sucht Frau“ draufgeschrieben. Man sieht es dem Tortengrab Nicole an, daß sie eine oder zwei selbstgebackene Torten sehr zu schätzen weiß. Später basteln die beiden gemeinsam an seiner Modelleisenbahn, sie darf Gras auf die noch freien Flächen streuen und ist stolz, daß der Modellbahnfreund ihr soviel zutraut. Die Harmonie wird nur getrübt, weil der Zug immer wieder entgleist. Hoffentlich steht die Eisenbahn nicht stellvertretend für Steffens Leben und sein Liebeswerben.

Aber wir müssen uns wohl keine Sorgen machen. Auch dieses Mal wird mindestens ein Bauer sein Glück finden, und alle Fernsehzuschauer können laut „Oh l’amour“ mitgrölen. Es wird herrlich werden. „Bauer sucht Frau“ erinnert uns daran, wie sehr gerade die einfachen Dinge beglücken können.

Die Sendung „Bauer sucht Frau“ läuft jeden Montag um 21.15 Uhr auf RTL.

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