© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/13 / 15. November 2013

Im Kampf gegen Fuchs und Waschbär
Küstenvogelschutz: Starke Bestandsabnahmen bei Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel und Austernfischer
Andreas Holz

Der Schutz von Brutgebieten begann auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern (MV) vor gut hundert Jahren mit der Errichtung von Vogelfreistätten auf der Insel Hiddensee und auf Salzgrasarealen der Insel Poel. Mit der Gründung der „Kommission Seevogelschutz der DDR“ (1963) und der Errichtung einer Zentralstelle auf Hiddensee wurde die Erfassung der Bestände neu organisiert. Seit 1994 führt die „Arbeitsgemeinschaft Küstenvogelschutz MV“, die das Zusammenwirken staatlicher Behörden und ehrenamtlicher Vogelschützer koordiniert, die Betreuung der Brutgebiete fort.

Trotz der langen Tradition sind die teilweise schon seit 1913 gedruckten Brutberichte wegen der beiden Weltkriege und des Verlustes unveröffentlichten Materials lückenhaft. Zuverlässige, inzwischen digitalisierte Daten stehen erst seit 1948 zur Verfügung, aber auch sie weisen sogar noch nach 1989 vereinzelte Lücken auf. Publiziert wurden Brutberichte zu DDR-Zeiten indes nur gelegentlich, und nach der „Wende“ gelangten sie nur zwischen 1993 und 2000 in die Hand des interessierten Publikums.

Die Ornithologen Marie Junge und Christof Herrmann hatten daher für den Zeitraum 2001 bis 2012 viel nachzutragen, können nun indes für 26 Brutgebiete eine beeindruckend dichte und umfangreiche Beschreibung der Bestandsentwicklung zahlreicher Arten präsentieren (Seevögel 3/13). Fast ausschließlich befinden sich die Brutgebiete von Enten, Möwen, Seeschwalben, Uferschnepfen oder Säbelschnäblern in Naturschutzgebieten oder Nationalparks. Mithin beeinträchtigt der Mensch, abgesehen von einigen illegalen touristischen Nutzungen, die Bruterfolge nur unwesentlich. Wichtigster Gefährdungsfaktor ist seit Jahren vielmehr der hohe Raubsäugerbesatz.

In den neunziger Jahren habe die „erhebliche Gefährdung“ der Gelege infolge der Tollwutimmunisierung und durch den Zustrom invasiver Arten wie Mink, Marderhund und Waschbär zugenommen, vor denen selbst die Brutkolonien auf den küstennahen Inseln nicht sicher sind, da sie, wie Fuchs und Marder, im Winter über das Eis dorthin gelangen. Das „Raubsäugermanagement“ bildet deshalb den Schwerpunkt der Arbeit der AG Küstenvogelschutz.

Ungeachtet dieser Bedrohung sind es aber gerade die winzigen Eilande in der Wismarer Bucht oder vor Rügen, denen als Refugialräume für Seevögel die größte Bedeutung zukommt. Denn in Brutgebieten mit Festlandanbindung verzeichnen Junge und Herrmann „sehr starke Bestandsabnahmen“, während die Bestände einer Reihe von Arten (Kiebitz, Uferschnepfe, Rotschenkel, Austernfischer) auf den Inseln stabil blieben und sich auf dem Niveau der 1970er-Zahlen bewegen. Der Bestandsabfall bei vielen Entenarten, Watvögel, Möwen und Seeschwalben erklärt sich aus den Höchstständen der achtziger Jahre, deren Ursachen den Ornithologen rätselhaft ist, deren Rückgang sie aber nicht als ökologisches Alarmsignal, sondern als Normalisierung interpretieren. Die „natürliche Dynamik“ müsse jedoch nicht nur durch den Kampf gegen Fuchs und Waschbär gesichert werden, sondern in absehbarer Zeit auch durch die Renaturierung ehemaliger Küstenüberflutungsräume, die ein hohes Potential für Küstenvögel besitzen.

Magazin Seevögel des Vereins Jordsand zum Schutze der Seevögel und der Natur: www.jordsand.eu

Foto: Marder mit erbeutetem Teichhuhn: Auch die Brutkolonien auf küstennahen Inseln sind nicht sicher vor ihm

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