© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/13 / 22. November 2013

Kinder und die Medien
Der Fluch der Technik
Dieter Stein

Wenn wir mal ehrlich sind, dann sind die internetfähigen Mobiltelefone (Smartphones) eine wahre Pest. Zum Telefonieren werden sie am wenigsten benutzt. Viele legen sie bei einem gemeinsamen Essen schon kommentarlos auf den Tisch neben den Teller. Stockt die Konversation, wird lässig über den Bildschirm gewischt und „mal rasch eben“ der E-Post-Eingang gecheckt. Oder nachgesehen, ob über Whatsapp neue Nachrichten eingetroffen sind. Ob auf Facebook neue „Likes“ hinzugekommen sind.

Fällt jemand nicht augenblicklich eine Antwort ein, wird gegoogelt. Der Geistreiche und Belesene kann immer durch das permanent abrufbare Internetwissen düpiert werden. Im Netz kursiert derzeit ein Kurzfilm, der diese Smartphone-Plage aufs Korn nimmt. Der Zweiminüter „I forgot my iPhone“ wurde auf Youtube binnen drei Monaten schon 33 Millionen Mal angesehen. Man sieht hier eine hübsche junge Frau, die neben ihrem Freund im Bett aufwacht, der nicht sie, sondern sein iPhone ansieht und Nachrichten liest. Später trifft sie Freunde in einem Café, die nach einer kurzen Begrüßung alle ihre Telefone zücken und sich abwenden. Am Strand, beim Treffen mit Kollegen zum Kegeln, mit Kindern auf dem Spielplatz – sie alle lassen sich vom gerade stattfindenden Leben durch ihre leuchtenden Minibildschirme ablenken. Alles, selbst die innigsten und intimsten Momente müssen sofort fotografiert, gefilmt und über soziale Netzwerke in Echtzeit geteilt werden. Welches Beispiel geben wir hier selbst?

Wir werden mit Verzögerung realisieren, was wir hier mit uns anrichten. Unsere eigenen Kinder wachsen mit der Epidemie an elektronischen Medien auf. Das Hin-und-herzappen, das Multitasken, der Mangel an Konzentration prägt ihre Weltwahrnehmung. Die Klagen über die Zappelphilippe mit ADHS an den Schulen nehmen zu – eine Ursache für diese Verhaltensstörung findet sich auch hier.

„Warum haben wir noch keine Wii?“ fragen mich meine älteren Kinder. „Fast alle in unserer Klasse haben eine.“ Fernsehen, Computerspiele, Internet saugen Aufmerksamkeit ab. Es ist verführerisch für genervte Eltern, Kinder mit diesen Medien ruhigzustellen – schlimmstenfalls, indem sie ihnen die Geräte sogar ins Kinderzimmer stellen und der Aufsicht entziehen. Ein schwerer Fehler.

Ich bewundere Eltern, die Fernsehen und Computer aus dem Leben ihrer Kinder konsequent verbannen. Meine dürfen diese – mit Maßen – nutzen. Das analoge Spiel, das Singen und Musizieren und vor allem das Lesen von Büchern ist der größte Schatz, den wir unseren Kindern geben können. In dieser Ausgabe (siehe Seite 25) bringen wir deshalb erstmals eine Literaturseite mit Kinder- und Jugendbüchern. Wir hoffen, Eltern und jungen Lesern bei der Suche nach wertvoller Lektüre zu helfen – und freuen uns auf Kritik!

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