© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Eine fast heile Welt
Parteitag: Trotz der Erfolge bei den Landtags- und Bundestagswahlen und des selbstbewußten Auftritts Horst Seehofers in Berlin rumort es an der CSU-Basis
Hinrich Rohbohm

Absolute Mehrheit bei der Landtagswahl, ein Ergebnis von über 50 Prozent bei der Bundestagswahl und ein Landesvorsitzender, der mit einem Traumergebnis von 95,4 Prozent in seinem Amt bestätigt wird. Die Welt der CSU scheint nach dem Debakel bei der Landtagwahl vor fünf Jahren wieder in Ordnung zu sein.

Gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel steht Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag in der Münchner Messehalle auf dem Podium, jubelt gemeinsam mit der CDU-Chefin in die Menge. Die Kanzlerin und der bayerische Ministerpräsident witzeln, tauschen Nettigkeiten aus. In den Medien wird Seehofer bereits auf die Ebene seiner Amtsvorgänger Edmund Stoiber und Franz Josef Strauß gehievt. Doch die Harmonie trügt. Tatsächlich rumort es unter den Christsozialen, der Unmut unter den Delegierten über die starken Zugeständnisse der Schwesterpartei bei den Koalitionsverhandlungen ist groß. „Die sind da viel zu nachgiebig in Berlin“, schimpft ein niederbayerischer Delegierter.

„Wir haben die Wahl gewonnen und nicht die SPD. Aber davon sieht man in den Koalitionsverhandlungen nichts“, empört sich ein anderer. Die CDU ergebe sich auf vielen Politikfeldern der SPD, die Inhalte seien ihr fast gleichgültig, lautet der Vorwurf von so manchem CSU-Funktionsträger, der das Profil der Union immer stärker verwässert sieht. Auch innerhalb der Landesregierung gebe es hinter vorgehaltener Hand vehemente Kritik.

Merkel versucht gar nicht erst, diese Kritik zu entkräften. Nach der gewonnenen Bundestagswahl läßt sie die Katze aus dem Sack, spricht offener denn je über ihre politischen Positionen. „Ich war gegen das Betreuungsgeld, das hat mir Edmund Stoiber damals abgepreßt“, gibt sie unumwunden zu. Sie habe dagegen die staatlichen Kinderbetreuungsprogramme weiter ausbauen wollen. Auch zur Frauenquote redet sie jetzt Klartext, läßt über ihre Sympathie keine Zweifel aufkommen. Entsprechend dezent fällt der Beifall der Delegierten aus. Selbst in den Reihen des Landesvorstands gibt es Gesten des stillen Protests gegen den Kurs der Kanzlerin. Während Merkels Rede nesteln einige von ihnen demonstrativ an ihren Mobiltelefonen oder unterhalten sich mit ihrem Sitznachbarn.

Seehofer weiß um den Frust. Er kennt seine Partei, hat als gewiefter Taktiker entsprechend vorgesorgt. Mit seiner Ankündigung, die Pkw-Maut zur Koalitionsbedingung zu machen, Steuererhöhungen vehement abzulehnen und Volksentscheide einführen zu wollen punktete er bei der CSU-Basis bereits im Vorfeld des Parteitags. „Horst Seehofer hat die Interessen Bayerns und der CSU würdig vertreten“, meint denn auch ein CSU-Mitglied aus Unterfranken. Und auch im Bezirksverband Schwaben zollt man dem gebürtigen Ingolstädter Respekt. „Er hat die Kanzlerin in ihrem Linkskurs mehrfach ausbremsen können“, heißt es dort.

Auch in Oberbayern hat sich Seehofer beliebt gemacht. Schließlich ist er es gewesen, der den bekennenden Konservativen und Euro-Kritiker Peter Gauweiler anstelle der ehemaligen Justizministerin Beate Merk für einen der vier Stellvertreterposten im Landesvorstand vorgeschlagen hatte. Ein weiterer taktischer Zug des 64jährigen. Die 4,7 Prozent der eurokritischen Partei Alternative für Deutschland haben auf viele CSU-Funktionäre Eindruck gemacht. „Manche liebäugeln bereits mit einem Übertritt. Nur die derzeitigen chaotischen Verhältnisse in der AfD und der verpaßte Parlamentseinzug halten sie davon noch ab“, berichtet ein Delegierter der JF. Mit Gauweiler an der Spitze sollen die Konservativen in der CSU bei der Stange gehalten werden.

Dabei war es Seehofer gewesen, der sich noch vor zwei Jahren für eine Frauenquote in der CSU stark gemacht hatte. Neben Peter Ramsauer, Christian Schmidt und Barbara Stamm errang dadurch Beate Merk einen der CSU-Vizeposten. Das Nachsehen hatte Gauweiler. Es spricht für das Gespür Seehofers, daß er diese Personalie nun korrigiert hat.

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