© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Jammern auf hohem Niveau
Energiepolitik: Stromkonzerne warnen vor Blackouts / Milliardengewinne trotz Atomausstieg / Bürger müssen die Zeche zahlen
Christian Schreiber

Die RWE-Aktionäre mußten in den vergangenen zwanzig Jahren starke Nerven beweisen. Bis zum rot-grünen Wahlsieg 1998 ging es steil bergauf, 2003 wurde mit unter 20 Euro pro Aktie ein historisches Tief erreicht. Im Zuge der Börseneuphorie vor dem großen Crash 2008 verfünffachte sich der Aktienkurs. Seither ging es unaufhörlich bergab. Fukushima und der deutsche Atomausstieg verstärkten den Trend. Dennoch war die RWE-Dividende im Schnitt immer noch besser als jedes Sparbuch oder die staatlich gehätschelten Riester-Verträge. Wer auf Finanzwerte wie die Commerzbank vertraute, verlor sogar fast alles.

Bei 28 Euro notiert die RWE-Aktie derzeit. Und mit einer Dividendenrendite von fünf bis sieben Prozent in den vergangenen beiden Jahren liegt das Papier nur knapp hinter dem Dax-Dividendenkönig Eon. Das könnte sich in Zukunft ändern, denn durch die massive Förderung von Ökostrom seien Kohlekraftwerke nicht mehr gewinnbringend zu betreiben, warnen die Vorstände der beiden größten deutschen Energieversorger. Einen echten Energie-„Markt“ gibt es ohnehin nicht, in Wahrheit tobt ein Verteilungskampf um Subventionen und Zwangsabgaben aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Sprich: Wer streicht das meiste Geld aus Sonnen-, Wind- und Biogasstrom ein?

Für die Altlasten des in den siebziger Jahren staatlich initiierten AKW-Abenteuers sind milliardenschwere Rückstellung in den Bilanzen verbucht. Den Löwenanteil für Rückbau und atomare Endlagerung wird ohnehin der Steuerzahler zu tragen haben. Die Chefs von zehn führenden EU-Versorgern, darunter auch Eon und RWE, treibt derzeit eine andere Sorge um: „Die Gefahr von Blackouts in Europa war nie höher als derzeit“, warnte Gérard Mestrallet, Chef des teilstaatlichen französischen Konzerns GDF Suez in einer Erklärung. Die Versorgungssicherheit sei während eines strengen Winters nicht mehr gewährleistet, mahnte RWE-Chef Peter Terium.

Ursache hierfür ist, daß konventionelle Kraftwerke aus Kostengründen vom Netz gehen, während der Ökostrom mit EEG-Milliarden ausgebaut wird. Der „grüne“ Strom hat aber einen großen Nachteil: er fließt nur, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Hinzu kommt, daß die meisten Windräder in Nord- und Mitteldeutschland, die energiehungrigsten Abnehmer aber im Süden und Westen angesiedelt sind.

„Der Netzausbau ist nicht vorangekommen – es wurden keine neuen Leitungen errichtet. Es wurden auch keine zusätzlichen Kraftwerke gebaut“, klagte der Chef des Stromnetzbetreibers Tennet, Martin Fuchs, im Münchner Merkur. „Die Gefahr eines Stromausfalls ist eher noch gestiegen, weil jetzt in Süddeutschland zwei Gaskraftwerke nicht mehr für den regelmäßigen Einsatz zur Verfügung stehen.“

Diese Kraftwerke sind aber unverzichtbar, um bei Flaute des Ökostroms schnell Ersatz liefern zu können. Zusätzliche Stromleitungen sind nötig, um bei hohem Windstromangebot diesen nach Südwesten zu transportieren. Im Februar dieses Jahres hätten bereits Zwangsabschaltungen gedroht: „Damals waren die Kraftwerkskapazitäten komplett ausgeschöpft. Wäre ein Kraftwerk ausgefallen, hätten wir Verbraucher vom Netz nehmen müssen.“ Für den Netzausbau seien „schlanke und zügige Genehmigungsverfahren“ unabdingbar. Eine Stromautobahn von Nord- nach Süddeutschland würde zwei bis drei Milliarden Euro kosten. „Ein flächendeckender Stromausfall kostet allerdings innerhalb weniger Stunden Milliarden. Die Versorgungssicherheit sollte uns eine solche Investition wert sein“, so der Tennet-Chef, der mit „uns“ wahrscheinlich den Steuerzahler meinte.

Konzernkritiker fragen daher, warum Eon, RWE & Co. ihre Milliarden-Gewinne nicht in den Netzausbau investierten. Die Energiewende dient manchem Manager als willkommene Ausrede, um von eigenen Fehlern abzulenken. „Unser traditionelles Geschäftsmodell bricht uns unter den Füßen weg“, konstatierte RWE-Chef Terium im Manager Magazin und sah sich angesichts des massiven Ergebniseinbruchs im „Tal der Tränen“. Eon-Chef Johannes Teyssen klagte über „Verwerfungen des Marktes“, doch die waren seit Inkrafttreten des EEG vor 13 Jahren klar absehbar, denn keine der Bundestagsparteien war bereit, an den Tabuthemen „Klimaschutz“ und „Reduzierung des CO2-Ausstoßes“ zu rütteln.

Massenentlassungen sollen die angeschlagenen Bilanzen halbwegs retten. Verschwiegen wird dabei, daß die Gewinneinbrüche auf hohem Niveau erfolgen. RWE verbuchte in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen Vorsteuergewinn von mehr als neun Milliarden Euro. Für 2014 wird immer noch mit einem Plus acht Milliarden Euro gerechnet. Auch GDF Suez glänzt mit einer attraktiven Dividendenrendite. Und Eon zählt inzwischen zu den weltgrößten Betreibern von Windkraftanlagen. Insofern ist es wohl weit besser, Stromkonzernaktionär als Stromkunde zu sein.

Deutsche Stromnetzausbauprojekte: tennet.eu

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