© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/13 / 29. November 2013

Für einige Stunden normale Kindheit
Armen Kindern ein Geschenk unter dem Christbaum ermöglichen und die Hoffnung des Evangeliums geben: Seit 20 Jahren bringt die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ Freude in Kindergesichter
Thorsten Brückner

Heiliger Abend. Bescherung. Hell erleuchteter Tannenbaum und strahlende Kinderaugen. Der Moment, der viele Eltern mindestens genauso glücklich macht wie den beschenkten Nachwuchs. Während es bei den meisten deutschen Familien stets zu einem zumindest bescheidenen Weihnachtsgeschenk reicht, sieht die Situation in den meisten osteuropäischen Ländern anders aus. Vom wirtschaftlichen Aufschwung in den Metropolen Warschau, Minsk oder Bukarest ist in der ländlichen Provinz kaum etwas zu spüren. Bei vielen Familien in der Slowakei, Moldau oder Rumänien fällt daher an Heiligabend die Bescherung aus – das Geld reicht gerade einmal für das Nötigste, an Weihnachtsgeschenke ist da nicht zu denken.

Kindern aus solch armen Familien eine Weihnachtsfreude zu bereiten ist die Idee hinter der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“, die nach bescheidenem Anlauf 1990 drei Jahre später von Franklin Graham, dem Sohn des 95jährigen Star-Evangelisten Billy Graham übernommen wurde. In Deutschland sind es vor allem Mitglieder von Kirchgemeinden, die kleine Schuhkartons mit Spielsachen, Schulutensilien, Süßigkeiten und Hygieneartikeln füllen.

Grahams Organisation „Samaritans Purse“, die bei der Aktion die Feder führt, arbeitet dezentral. Schuhkartons, die in Deutschland gepackt werden, gehen anders als Päckchen der amerikanischen Mutterorganisation vorwiegend in osteuropäische Länder. Jahr für Jahr sieht sich die seit 1996 in Deutschland operierende Tochterorganisation „Geschenke der Hoffnung“ dabei heftiger Kritik ausgesetzt: ausgerechnet von seiten der evangelischen und katholischen Kirche. Hauptkritikpunkte: Die Aktion sei nicht nachhaltig und fördere die Verbreitung des christlichen Glaubens. Am weitesten lehnte sich das Büro für Sekten und Weltanschauungsfragen des Bistums Trier aus dem Fenster. Durch die Aktion würden die Lebensbedingungen von Kindern in Not nicht verbessert. Auch die Wirtschaft in den Empfängerländern profitiere nicht von der Aktion. „Der Erlös aus dem Verkauf der Geschenke kommt ausschließlich der Wirtschaft der Länder zugute, aus denen die Kartons kommen“, heißt es auf der Internetseite des Bistums. Da durfte der Hinweis auf die schlechte Klimabilanz der Aktion natürlich nicht fehlen. Der weltweite Transport der Kartons über Tausende von Kilometern sei nicht nur mit einem enormen finanziellen Aufwand verbunden, sondern auch aus ökologischen Gründen problematisch.

Daß die christlichen Partnergemeinden vor Ort, die für die Verteilung verantwortlich sind, zusammen mit den Geschenken auch eine kindgerechte Evangelisationsbroschüre in Form eines Comics verteilen, bringt für den Referenten für missionarische Dienste des Bistums Osnabrück, Dieter Tewes, das Faß zum Überlaufen: „So eine aggressive Missionierung von Kindern ist nicht in Ordnung.“

Bei soviel Unverständnis deutscher Katholiken freut sich „Geschenke der Hoffnung“ dafür um so mehr, daß die Aktion zumindest in Rom richtig verstanden wird. „Weihnachten im Schuhkarton“ sei „sozial-karitatives Engagement im Sinne des Evangeliums“, lobte Papst Franziskus. An prominenter Unterstützung fehlt es auch in diesem Jahr nicht: Neben ZDF-Moderator Peter Hahne und Schauspielerin Rebecca Immanuel findet sich darunter mit der Pietistin Tabea Dölker sogar ein amtierendes EKD-Ratsmitglied.

Seit Beginn der Aktion 1993 wurde nach Angaben des Vereins über 100 Millionen Kindern mit den Geschenkkartons ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Am vergangenen Wochenende kamen die letzten Schuhkartons in den Abgabestellen an. Die Päckchen machen sich jetzt über regionale Zwischenlager, wo der Inhalt der Kartons überprüft wird, auf in die Empfängerländer. Bei einer kleinen Weihnachtsfeier können sich die Kinder dann ganz unbelastet von politischen Einwänden mancher Kirchenvertreter ans Auspacken machen und einige Stunden unbeschwerter Kindheit verbringen.

www.geschenke-der-hoffnung.org

Foto: Beschenkte Kinder in der Republik Moldau freuen sich: Deutsches Bistum kritisiert allen Ernstes die „schlechte Klimabilanz“

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