© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Hauen und Stechen um den Neuanfang
FDP: Auf ihrem Sonderparteitag in Berlin wollen die Liberalen die Weichen für eine Rückkehr in den Bundestag stellen
Christian Schreiber

Als Generalsekretär mißlang ihm die Erneuerung seiner Partei, jetzt soll Christian Lindner die FDP vor dem Zerfall retten. Am kommenden Wochenende versammeln sich die Delegierten in Berlin, um die Nachfolge für die nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl nahezu komplett zurückgetretene Führungsmannschaft zu wählen.

Lindner, Landeschef in Nordrhein-Westfalen, hat mit dem streitbaren Nordhessen Jörg Behlen (Portrait Seite 3) und dem weithin unbekannten Berliner Götz Galuba zwei Gegenkandidaten, die ihm voraussichtlich aber nicht gefährlich werden können. Dennoch könnte Lindner bei der Wahl zum Vorsitz einen Denkzettel erhalten. In den Landesverbänden Bayern, Sachsen und Nieder-sachsen macht sich Unmut breit. Viele hatten sich ein deutlicheres Signal zum Neuanfang erwartet. Dennoch dürfte Lindners Wahl eher eine Formsache sein.

Um die acht Posten im Präsidium gibt es allerdings erhebliches Gerangel. Formsache sollte die Wahl der bisherigen hessischen Kulturministerin Nicola Beer als Generalsekretärin sein, für dieses Amt besitzt der Parteivorsitzende ein Vorschlagsrecht. Als Schatzmeister wird der mittlerweile 72 Jahre alte Alt-Liberale Hermann Otto Solms kandidieren. Solms, im vergangenen Frühjahr bei der Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl krachend durchgefallen, gilt als einer der wenigen verbliebenen Funktionäre mit gutem Draht in die Wirtschaft. Seine Kunst des Spendensammelns dürfte mehr denn je gefragt sein, klafft in der Parteikasse durch das Waterloo bei der Bundestagswahl doch ein riesen Loch. Mit schätzungsweise 2,5 bis 3 Millionen Euro weniger muß der neue Schatzmeister künftig auskommen, neben den finanziellen Einbußen ist außerdem ein Wegbrechen an personellen Ressourcen zu beklagen.

Bisher bildete der in Berlin ansässige Führungsstab die Spitze der Partei, die zuletzt auf 93 Abgeordnete angewachsene Bundestagsfraktion beschäftigte rund 500 Mitarbeiter. All das ist nun Geschichte, und so hat ein Hauen und Stechen in den Ländern begonnen. In immerhin neun von 16 Landesparlamenten ist die FDP noch vertreten, im kommenden Jahr stehen Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Aus diesem Grund hat der sächsische Landes-chef Holger Zastrow angekündigt, nicht wieder als Stellvertreter zu kandidieren. „Ich habe entschieden, mich für den Moment komplett aus der Bundesführung zurückzuziehen. Ich werde mich jetzt zu 100 Prozent auf Sachsen konzentrieren“, sagte Zastrow, der als Kritiker des von Lindner beabsichtigten Kurses des „mitfühlenden Liberalismus“ gilt, der Welt.

Auf ein starkes Ergebnis beim Parteitag kann Wolfgang Kubicki hoffen. Der Frontmann der FDP im hohen Norden profilierte sich in den vergangenen Jahren stets als Lieblings-Kritiker der jeweils amtierenden Parteiführung. Nun, nachdem das Kind im Brunnen liegt, seine Gegner Guido Westerwelle und Philipp Rösler das politische Terrain verlassen haben, ist der streitbare Jurist zur aktiven Mitarbeit auf Bundesebene gezwungen.

Als weitere Stellvertreterin wünscht sich Lindner die Düsseldorfer Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Daß er die 55jährige, auch parteiintern recht unbekannte Kommunalpolitikerin ausgesucht hat, ist ein Zeichen für die personellen Probleme beim Neuaufbau. So dürfte das Rennen um die Spitzenpositionen bis zum Schluß spannend bleiben, vor allem auch, was das Abschneiden des „Euro-Rebellen“ Frank Schäffler betrifft. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete hat in den vergangenen Wochen massiv für seine Kandidatur zum Präsidium geworben. Er gilt als strikter Gegner des flächendeckenden Mindestlohns, seine ablehnende Haltung zu den Euro-Rettungsschirmen ist allgemein bekannt. Damit liegt er diametral zu Lindners Politik. Doch in dessen Umfeld wächst die Angst, Schäffler und seine Freunde vom „Liberalen Aufbruch“ könnten bei einem Scheitern ihres Anführers auf dem Parteitag zur Alternative für Deutschland übertreten. Hatte Lindner zunächst angekündigt, Schäffler stärker einbinden zu wollen, verschärfte sich vor dem Parteitag noch einmal der Ton. „Ich habe Lindner die Hand zur Zusammenarbeit gereicht, aber er hat brüsk abgelehnt“, klagte Schäffler am vergangenen Wochenende: „Das ist in einer solchen Situation falsch.“

Ein inhaltliches Zugehen auf Schäffler war ohnehin nie geplant, obwohl ausgerechnet die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung seine Gruppierung in einer kürzlich veröffentlichten Studie als „klar zu erkennende Strömung mit einem ausgeprägten inhaltlichen Profil“ bezeichnet hatte. Gerade bei den anstehenden Europawahlen im kommenden Frühjahr könnte die FDP mit einem euroskeptischen Kurs neue Wählerschichten erschließen. Doch eine solche Kurskorrektur hat Lindner bislang kategorisch ausgeschlossen. Die neue Parteiführung müsse die FDP „sozialer ausrichten“ und „weder links noch rechts agieren“. Angesichts der bevorstehenden Großen Koalition hofft Lindner zudem darauf, daß viele abtrünnige FDP-Wähler ins Grübeln kommen werden: „Die Menschen werden uns noch viel schneller vermissen, als viele glauben.“

Foto: FDP-Chef Philipp Rösler (l.) und sein designierter Nachfolger Christian Lindner: Bitte vermißt uns

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