© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Rückgriff auf die Geschichte
Verbotsantrag: Die Bundesländer versuchen vor dem Bundesverfassungsgericht, der NPD eine Wesensverwandtschaft mit der NSDAP nachzuweisen
Felix Krautkrämer

Ist die NPD eine verfassungsfeindliche Partei, die verboten gehört? Wenn es nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit der Bundesländer geht, lautet die Antwort: ja. Vor ziemlich genau einem Jahr beschlossen sie daher – mit Ausnahme von Hessen, das sich seiner Stimme enthielt – im Bundesrat, ein neues Verbotsverfahren gegen die Partei zu wagen. Die NPD vertrete eine antisemitische, rassistische und ausländerfeindliche Einstellung und sei mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt, so die Begründung.

Zum Beweis dafür legten die Innenminister von Bund und Ländern eine mehr als tausendseitige Materialsammlung vor, aus der genau das hervorgehen soll. Die beiden Juraprofessoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff von der Berliner Humboldt-Universität wurden damit beauftragt, auf dieser Grundlage eine Klageschrift vorzubereiten. Am Dienstag nun wurde diese beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Die beiden Juristen versuchen darin laut Süddeutscher Zeitung auf über 270 Seiten, eine Wesensverwandtschaft der NPD mit der NSDAP nachzuzeichnen. Als Beleg dafür führen sie unter anderem an, daß für die NPD nur Deutscher sein könne, wer deutscher Abstammung ist. Das, so die SZ, habe bereits die NSDAP in ihrem Parteiprogramm von 1920 ähnlich formuliert, indem sie festlegte, Volksgenosse könne nur sein, wer deutschen Blutes sei.

Dem Volksbegriff der NPD widmete bereits die Materialsammlung der Innenminister breiten Raum. So wurde zum Beispiel eine Argumentationsbroschüre des Parteivorstandes für Mandats- und Funktionsträger vom April 2012 angeführt, in der es hieß: „Deutscher ist, wer deutscher Herkunft ist und damit in die ethnisch-kulturelle Gemeinschaft des deutschen Volkes hineingeboren wurde.“ Die Verleihung eines bedruckten Papiers verändere nicht die biologischen Erbanlagen. „Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, egal, wie lange sie in Deutschland leben.“

Daß Möllers und Waldhoff in ihrer Klageschrift auf eine Wesensverwandtschaft der NPD mit der NSDAP abzielen, könnte dem Umstand geschuldet sein, daß die NPD angekündigt hat, gegen ihr mögliches Verbot vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu klagen. Experten hatten zuvor gewarnt, eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte dort von den Richtern wieder kassiert werden. Denn das Gericht in Straßburg bewertet nicht nur, ob eine Partei die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen möchte, sondern ob sie dazu auch ernsthaft in der Lage ist. Allerdings gesteht der Gerichtshof den nationalen Gerichten bei Parteiverboten einen etwas breiteren Ermessensspielraum zu, wenn dabei auch geschichtliche Aspekte eine Rolle spielen.

Doch auch wenn die Karlsruher Richter gewisse Gemeinsamkeiten zwischen NPD und NSDAP bejahen sollten, bedeutet dies noch nicht, daß sie sich deswegen für ein Verbot der Partei entscheiden. Denn die Rechtsprechung verlangt als Voraussetzung für einen solchen Schritt nicht nur, daß eine Partei die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder beseitigen möchte, sondern, daß sie dies auch in „aggressiv-kämpferischer“ Weise tut. Und ob die NPD dazu derzeit personell wie finanziell in der Lage ist, dürfte einer der großen Knackpunkte in dem Verfahren sein. Zwar verfügt die Partei mit Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern über zwei Landtagsfraktionen, bei Bundestagswahlen sowie Wahlen im Westen ist die NPD jedoch weit davon entfernt, die Fünfprozenthürde zu überspringen.

Die Verfasser der Anklageschrift argumentieren allerdings, daß das Bundesverfassungsgericht nicht wie die Polizei warten müsse, bis eine wirkliche Gefahr drohe. Vielmehr sei das Verbot einer Partei wie der NPD eine „Vorverlagerung des Staatsschutzes“ zur „Verhinderung einer gefährlichen Lage“. Seitens der Bundesregierung sieht man das aber offenbar anders. Zwar sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag, Bundeskanzlerin Angela Merkel hoffe, daß die Klageschrift der Länder Erfolg haben werde. Einen eigenen Verbotsantrag halte die Regierung aber nach wie vor nicht für erforderlich. Entsprechend hatten Union und SPD auch darauf verzichtet, eine solche Entscheidung zum Gegenstand des Koalitionsvertrages zu machen.

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