© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Politischer Beitragsschuldenerlaß für Krankenversicherte
Milliardenproblem
Jens Jessen

Haben Sie Ihre Krankenversicherungsbeiträge immer gezahlt? Wenn nicht, haben Sie ein Problem“, heißt es in einer elfsprachigen Broschüre des Gesundheitsministeriums und des Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. „Sie haben vermutlich hohe Beitragsschulden angehäuft, weil Sie sich in Deutschland für den Krankheitsfall versichern müssen“, schreiben die Herausgeber, um sogleich eine weihnachtliche Lösung zu präsentieren: „Durch ein neues Gesetz besteht jetzt die Möglichkeit, daß Ihnen diese Schulden vollständig erlassen werden. Dazu müssen Sie sich rechtzeitig bei einer Krankenversicherung melden, spätestens bis zum 31.12.2013!“

Diese Großzügigkeit ist allerdings nicht der geplanten Großen Koalition zu verdanken, für die die einstigen Antipoden Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) den Gesundheitsbereich verhandelten. Ihre Übereinstimmung in Finanzfragen erleichterte das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung, das vor drei Monaten in Kraft trat.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wollte so ein Milliardenproblem entschärfen. Seit 2007 gibt es in Deutschland eine Krankenversicherungspflicht. Eine Kündigung durch den Versicherer ist dabei unmöglich, auch wenn Beiträge nicht gezahlt werden. In der gesetzlichen Versicherung (GKV) liefen seither Beitragsrückstände von 4,5 Milliarden Euro auf. 2,1 Milliarden davon wurden von GKV-Selbstzahlern verursacht. Freiwillig versicherte Selbstständige können etwa durch Insolvenzen in einen Beitragsrückstand geraten. Auf diese Gruppe entfällt eine Schuld von 1,4 Milliarden Euro.

In der Privatversicherung (PKV) zahlen etwa 146.000 Versicherte ihre Beiträge nicht. Nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz von 2007 wird bei Nichtzahlung ein Säumniszuschlag von fünf Prozent fällig, was die Rückstände zusätzlich erhöht. Das neue Gesetz senkt den regulären Säumniszuschlag auf ein Prozent. „Nachrangig Versicherten“ (ehemalige Nichtversicherte, die die GKV qua Gesetz aufnehmen mußte) sollen nun Beitragsschulden, die zwischen Eintritt der Versicherungspflicht und Meldung bei der Kasse angefallen sind, erlassen werden.

Der Schulderlaß soll dazu anreizen, sich bei der Kasse zu melden und künftig zu zahlen – nach dem Motto: lieber etwas Geld einnehmen als gar nichts. In der PKV ist ein Notlagentarif vorgesehen. Versicherte Nichtzahler werden nach einem gesetzlichen Mahnverfahren in diesen Tarif überführt, der ausschließlich für akute Erkrankungen und Schmerzzustände zahlt. Alterungsrückstellungen werden nicht aufgebaut. Vorhandene Kapitalstöcke können auf die zu zahlende Prämie angerechnet werden.

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