© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Angriff aus dem Internet
Parallelwährungen: Bitcoins könnten eine digitale Alternative zum herkömmlichen Notenbankgeld aufzeigen
Christoph Braunschweig

Papiergeld kehrt früher oder später zu seinem inneren Wert zurück – null.“ Diese Erkenntnis formulierte Voltaire vor drei Jahrhunderten mit Blick auf das von dem schottischen Bankier John Law in Frankreich eingeführte Papiergeldsystem, das schon nach zwei Jahren zusammenbrach. Dollar, Euro, Pfund oder Yen halten sich dagegen – trotz aller Krisen und Vertrauensverluste – immer noch erstaunlich gut. Ihre Funktion als Tausch-, Zahlungs- und kurz- bis mittelfristiges Wertaufbewahrungsmittel scheint unbestritten.

Zur langfristigen Vermögenssicherung wird angesichts der ungewissen Zukunft der staatlichen Monopolgeldsysteme in der Regel längst auf Aktien, Immobilien, Land oder Edelmetalle gesetzt. Bei der Bewältigung der Alltagsgeschäfte spielen aber selbst Gold und Silber kaum eine Rolle. Eine mögliche Währungsalternative deutet sich durch eine Internetinnovation an: Bitcoins. Sie sind die bekannteste Form von elektronischem Privatgeld, das dezentral und bislang weitgehend ohne staatliche Kontrolle durch ein Computernetzwerk geschöpft und verwaltet wird. Bitcoins verbinden Eigenschaften von Bargeld mit solchen von internationalen elektronischen Überweisungen.

Das Bitcoin-Netz wird aus Teilnehmern gebildet, die einen „Bitcoin Client“ – ein Spezialprogramm wie Bitcoin-Qt, MultiBit, Armory oder Electrum – auf ihrem Privatrechner ausführen. Der Besitz von Bitcoin-Einheiten kann durch den Besitz von hochkomplexen kryptographischen Schlüsseln nachgewiesen werden. Jede Transaktion zwischen Teilnehmern des Netzwerkes wird in einer öffentlichen, vom gesamten Netzwerk unterstützten Datenbank aufgezeichnet und mit digitalen Signaturen versehen. Dies gewährleistet, daß Geldbeträge fälschungssicher sind – was aber nicht ausschließt, daß Kriminelle andere Wege zur unrechtmäßigen Aneignung finden.

Die Geldeinheiten werden in Internetbörsen gehandelt, sie können in die wichtigsten Weltwährungen umgetauscht werden. Obwohl bisher ein großer Teil der Nutzung vermutlich spekulativ ist und der Tauschkurs beachtlichen kurzfristigen Schwankungen unterliegt – im November war eine Bitcoin-Einheit zeitweise teurer als eine Unze Gold – , haben neben kleinen Anbietern und Goldhändlern auch große Internetdienste wie Youtube begonnen, Bitcoins zu akzeptieren. Darüber hinaus wecken Bitcoins wegen ihrer „elektronischen“ Inflationssicherung – sie sind auf 21 Millionen Einheiten begrenzt – und einer weitgehenden Unabhängigkeit vom traditionellen Finanzsystem Interesse als Wertaufbewahrungsmittel.

Auch die Bundesregierung hat die digitale Währung als „Rechnungseinheiten“ anerkannt. Bitcoins seien eine Art „privates Geld“, welches in „multilateralen Verrechnungskreisen“ eingesetzt werden kann. Das Herstellen von Bitcoins sei somit „private Geldschöpfung“, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte. Damit ist die Digitalwährung nun rechtlich und steuerlich anerkannt: Kursgewinne aus Bitcoins sind nach einem Jahr steuerfrei. Der Fiskus behandelt sie damit anders als Aktien, Zertifikate oder Fonds, die einer Abgeltungsteuer von 25 Prozent unterliegen. Noch zu klären ist, ob beim Handel mit Bitcoins auch Umsatzsteuer anfällt. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat Bitcoins entdeckt und im Merkblatt „Finanzinstrumente“ den Devisen gleichgestellt.

Ob Bitcoins eine Blase à la New Economy oder tatsächlich zur inflationsgeschützten Parallelwährung werden, ist schwer abschätzbar. Es wäre jedoch nicht das erste Mal in der Geschichte, daß sich durch eine technologische Revolution völlig neue Perspektiven, Spielregeln und Konsequenzen ergeben. Allerdings werden die Regierungen alles unternehmen, um ihr staatsmonopolistisches Geld zu verteidigen – inklusive Anwendung ihres Gewaltmonopols. Das 2002 gegründete Bezahlsystem Liberty Reserve mußte im Mai dieses Jahres vor den US-Justiz- und Finanzbehörden kapitulieren, obwohl der Firmensitz in Costa Rica lag. Der Vorwurf lautet – wie so häufig – Geldwäsche. 2009 wurde das 1998 gestartete Experiment des mit Gold und Silber gedeckten American Liberty Dollar (ALD) von den US-Behörden gestoppt.

Das enge aufsichtsrechtliche Korsett, das den Bitcoins in den USA aufgezwungen wurde, könnte dazu führen, daß die Ideen hinter den Bitcoins zwar erhalten bleiben, die Bitcoins selber aber wieder verschwinden. Schon gibt es Nachahmer wie Litecoin, PPCoin oder Ripple. Über die Zukunft dieser Kryptowährungen entscheiden die Nutzer: Ist ihr Vertrauen in die Bits größer als das in Goldbarren?

Auch Marktmarkt kann entscheidend sein: Mit Amazon-Coins können schon Bücher oder digitale Inhalte bezahlt werden. Die „Coins“ des Versandhändlers funktionieren wie ein Guthabenkonto, auf das man zunächst eine bestimmte Anzahl Amazon-Coins aufladen muß. Die „Credits“ von Facebook dienen bislang nur der besseren Kontrolle der Kosten und einigen Rabattaktionen. Ein Musterbeispiel für technologiebedingte Revolutionen ist der Musik- und Filmmarkt. Seit Jahren brechen Umsätze und Gewinne der klassischen Plattenfirmen ein. Digitale Musikläden wie iTunes haben deren und das illegale Geschäft der „Napster-Tauschbörsen“ übernommen. Internetdienste wie Lovefilm (Amazon) oder Video Unlimited (Sony) berauben Videotheken ihrer Geschäftsgrundlage.

In China ist bereits eine wahre Manie um die digitale Währung entbrannt, seitdem der Suchmaschinenanbieter Baidu Bitcoins als Bezahlmittel zugelassen hat. Baidu ist das chinesische Google-Pendant und gehört zu den fünf am meisten aufgerufenen Internetseiten der Welt. Der Handel Renminbi (Yuan)–Bitcoin macht inzwischen 21 Prozent des Umsatzes aus, in Euro sind es nur sechs Prozent. Selbst der Staatssender CCTV brachte einen längeren Bericht über das Netzgeld – sicher nicht ohne Billigung der kommunistischen Staatsführung. Zumindest solange Bitcoins nicht ernsthaft das staatliche Geldmonopol in Peking und anderswo gefährden.

 

Christoph Braunschweig ist Professor der Staatlichen Wirtschaftsuniversität Jekaterinburg. Der Schüler von Friedrich A. von Hayek ist Autor zahlreicher Fachbücher.

 

Digitale Währung aus dem Computer

Bitcoins sind eine 2009 entstandene digitale Internetwährung, die inzwischen auch im herkömmlichen Handel ankommt. Bitcoins werden in einem komplizierten und rechenaufwendigen Prozeß erstellt, ihr Volumen ist auf 21 Millionen begrenzt. Diese Mengenbegrenzung macht Bitcoins für Geldwäsche unattraktiv und schützt die Währung gegen Inflation. Per Internetbörse können Bitcoins jederzeit gegen andere Währungen getauscht werden, wobei ihr Wert zur Zeit spekulativ stark schwankt: In diesem Jahr wurden Kurse zwischen 100 und 1.200 Dollar registriert. Jede Geldtransaktion wird mit einer digitalen Signatur versehen und in einer öffentlichen, vom gesamten Netzwerk betriebenen Datenbank aufgezeichnet. Das Mobiltelefon ersetzt den Geldbeutel: Eine Bitcoin-App scannt ein Bildmuster, das die Kontonummer enthält und sendet die Zahlung gebührenlos direkt an den Empfänger. Die Bitcoin-Nutzer bleiben dabei anonym. Zentral- und Geschäftsbanken werden nicht gebraucht.

Deutsche Seite des Bitcoin-Projekts: bitcoin.org

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