© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

„Bild“ gegen den BND
„Fall Barschel“: Immer wieder scheitern Journalisten trotz Informationsfreiheitsgesetz an Behördenwillkür
Bernd Rademacher

Nach Paragraph 4, Absatz 1 des Presserechts sind Behörden „verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen“.

Zudem gilt seit 2006 das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das vollständig „Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes“ heißt. Darin steht: „Das Gesetz gewährt jeder Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Eine Begründung ist nicht erforderlich.“

Zu den zitierten Informationen zählen Akten, elektronische Dokumente, Zeichnungen und Grafiken, Pläne, Ton- und Videoaufzeichnungen. Diese kann also jeder Journalist jederzeit einsehen.

Theoretisch. Denn die Behörden sehen das oft ganz anders. Sie verbarrikadieren ihre Informationen vor dem Bürger. Dabei sind nicht wenige ausgesprochen kreativ.

Das Auswärtige Amt verlangte für eine einfache Auskunft eine Gebühr von mehr als hundert Euro. Und das war noch günstig: Das Bundesinnenministerium splittete eine Anfrage zweier WAZ-Journalisten in viele Einzelaufträge auf und verlangte summa summarum 14.952 Euro.

Zudem enthält das Gesetz eine Fülle von Ausnahmen. So können Informationen verweigert werden, wenn „internationale Beziehungen“ betroffen sind, „sicherheitsempfindliche Belange“, die „innere oder äußere Sicherheit“, die Finanzkontrolle, der Außenwirtschaftsverkehr – und so weiter und so fort.

Der WDR lehnte nach der Gesetzeseinführung einen Auskunftsantrag mit der Begründung ab, als Rundfunkanstalt unterliege der Sender nicht dem IFG. Auf die Belehrung durch den Landesdatenschutzbeauftragten folgte erst ein mehrjähriger Rechtsstreit, bis das Bundesverwaltungsgericht ein Machtwort sprach. Der WDR mußte dann doch Aufkunft geben.

Eine unglaubliche Frechheit erlaubte sich das Verkehrsministerium, das dem damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss die Einsicht in die Verträge zur LKW-Maut auf Autobahnen aufgrund von „mangelndem Sachverstand“ verweigerte!

Wer Akten zum Berliner Pannenflughafen BER einsehen will, erfährt von der zuständigen Behörde, dies sei unmöglich, weil Aufsichtsratsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet seien. Dieser Grundsatz gilt für Privatunternehmen zum Schutz von Betriebsgeheimnissen. BER ist aber ein staatlicher Monopolbetrieb im Gewand einer Aktiengesellschaft. Trotzdem urteilten die Richter des Berliner Verwaltungsgerichts, daß die Protokolle unter Verschluß bleiben. Ein Skandalurteil.

Eine Klage hilft allerdings in vielen anderen Fällen. Zumindest ein bißchen. Der Enthüllungsjournalist Gerd Wisnewski etwa erzwang in einem Prozeß gegen die Abwimmler von der Berliner Justizpressestelle die Offenlegung von Details im Todesfall Kirsten Heisig. Im Urteil hieß es, „aus der grundgesetzlich verbürgten Pressefreiheit leite sich auch ein Informationsanspruch der Presse ab“. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Nun erreicht der Dauer-Kleinkrieg zwischen Medien und Behörden ein neues Niveau, denn jetzt geht es um einen besonders brisanten Fall: Die geheimen BND-Unterlagen zum dubiosen Tod von Uwe Barschel. Der frühere CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein war am 11. Oktober tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden worden.

Die Akten des BND waren so geheim, daß ihre Existenz der Öffentlichkeit unbekannt blieb. Der Bild-Journalist Hans-Wilhelm Saure klagte auf Akteneinsicht. Doch diesmal ohne Erfolg. Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht berief sich auf das Bundesarchivgesetz, nach dem Akten erst nach 30 Jahren geöffnet werden müßten. Von dieser Regelung gebe es keine Ausnahme, daher sei der BND nicht verpflichtet, sich in die Akten sehen zu lassen. Schon im Februar hatten die Leipziger Richter befunden, daß die Auskunftspflicht von Behörden gegenüber Journalisten nach den Landespressegesetzen nicht auf den Bundesnachrichtendienst als Bundesbehörde anwendbar sei. Dafür fehle den Ländern die Kompetenz, so das Gericht.

Der Bild-Journalist und sein Verlag prüfen den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Falls es dazu kommt, werden die Richter eine sensible Entscheidung treffen müssen. Denn der Fall Barschel wirft Fragen auf: War es Mord? Hat ein fremder Geheimdienst Barschel aus dem Weg geräumt und wenn ja, warum? Was wußte der Auslandsgeheimdienst? Und warum hilft der BND nicht dabei, die Geschichte endlich aufzuklären? Es wird jedenfalls höchste Zeit, daß sich Behörden nicht weiter selbst wie Geheimdienste aufführen, sondern endlich lernen, mehr „Glasnost“, zu praktizieren. Der Bürger ist kein Untertan mehr – sondern der Beamte ein Dienstleister.

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