© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Frisch gepresst

Schulinfarkt. Die Mehrheit deutscher Schulen sei eine „Pleite“, ja überhaupt sei das Schulsystem im gesamten deutschsprachigen Raum „am Ende“. So lautet die knallige Diagnose des dänischen Pädagogen Jesper Juul, den die Verlagswerbung als einen der „bedeutendsten Familientherapeuten Europas“ rühmt und der mit einem Dutzend seiner Ratgeber-Bücher auf dem deutschen Buchmarkt präsent ist. Ausgangspunkt für Juuls Kritik ist die simple Behauptung, die Schule erziehe gehorsame Funktionsträger für Industriegesellschaften, deren Wertvorstellungen sich in Europa aber gerade auflösten. Ihre postmodernen Nachfolgemodelle verlangten indes Arbeitskräfte, die ohne „strenge Führung“ auskämen, die eigenverantwortlich und kreativ handeln. Ein neues Schulsystem müsse daher auf einem radikal „neuen Menschenbild“ basieren, dessen irgendwie wohl antiautoritäre Konturen in Juuls blumigen Platitüden über die Aufstockung von „Erziehungskompetenz“ und die Förderung von Selbstvertrauen oder Selbstgefühl allerdings nirgends erkennbar sind. (wm)

Jesper Juul: Schulinfarkt. Was wir tun können, damit es Kindern, Eltern und Lehrern besser geht. Kösel-Verlag, München 2013, gebunden, 192 Seiten, 17,99 Euro

 

Kieler Schule. Die Juristen und Nationalökonomen der Kieler Universität hoben sich in der Weimarer Zeit durch engagierte Verfassungstreue hervor. Gelehrte wie Gustav Radbruch (SPD), kurze Zeit auch Reichsjustizminister, oder Walther Schücking, der pazifistische Völkerrechtler, der für die DDP im Reichstag saß, standen für diese Ausrichtung. Um so radikaler fiel dann die Zäsur von 1933 aus. In die „gesäuberte“ Fakultät zogen junge, im NS-Sinn vielversprechende Wissenschaftler ein, die als „Kieler Schule“ die theoretischen Grundlagen einer neuen Rechtspolitik erarbeiten sollten. Die Zivilisten Karl Larenz und Karl Michaelis, die Strafrechtler Georg Dahm und Friedrich Schaffstein, die Staatsrechtler Ernst Rudolf Huber und Paul Ritterbusch zählten ebenso dazu wie der Rechtshistoriker Franz Wieacker oder der Arbeitsrechtler Wolfgang Siebert. Wissenschaftshistorisch bislang zwar viel beachtet, fehlte bisher eine Monographie. Auch wenn man eindringliche Werkanalysen der Protagonisten vermißt, hat Christina Wiener mit ihrer umfangreichen Kieler Dissertation jetzt diese Lücke geschlossen. (dg)

Christina Wiener: Kieler Fakultät und „Kieler Schule“. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2013, broschiert, 388 Seiten, 85 Euro

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