© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/13 / 06. Dezember 2013

Rekorde der Besinnlichkeit
Schöner, älter, größer – Tausende Weihnachtsmärkte buhlen um die werten Kunden
Paul Leonhard

Von wegen Besinnlichkeit im Advent. Auf den Weihnachtsmärkten herrscht Konkurrenzkampf, muß der Umsatz stimmen. Deswegen suchen viele Veranstalter nach Alleinstellungsmerkmalen. Nicht alle haben es so gut wie Dresden, das unumstritten behaupten kann, mit dem 1434 erstmals genehmigten Striezelmarkt die längste Tradition von Weihnachtsmärkten in Deutschland zu pflegen.

Stets gab es nur lobende Worte über den Dresdner Markt, bis es im vergangenen Dezember plötzlich Hohn und Spott hagelte. Schuld war die den Platz schmückende Fichte, die derart häßlich war, daß eine Boulevard-Zeitung „Leipzig lacht und Sachsen grinst“ titelte. Selbst das ZDF widmete sich dem „furchtbaren, müden, schlappen, häßlichen“ Baum.

Die Proteste waren so groß, daß sich die Stadtverwaltung entschloß, in diesem Jahr den Auswahlprozeß transparent zu machen und die Bürger abstimmen zu lassen. Mehr als 5.200 Stimmen wurden abgegeben, knapp 2.500 entschieden sich für eine 25 Meter hohe und etwa 40 Jahre alte Fichte. Diese steht seit Anfang November auf dem Altmarkt, alle sind zufrieden und nur in Leipzig, der Hauptstadt der Revolution, schaut man etwas neidisch auf diesen demokratischen Schlenker des barocken Dresden.

Denn in Sachen ältester Weihnachtsmarkt müssen sich die Messestädter seit Jahrhunderten mit dem zweiten Platz (1458) begnügen. Doch da Leipzig ein Superlativ benötigt, steht hier der mit 857 Quadratmetern weltgrößte freistehende Adventskalender.

Den Brauch, Weihnachsbäume öffentlich aufzustellen, reklamiert Weimar für sich. Hier wollte Hofbuchhändler Hoffmann ärmere Familien überraschen und ließ 1815 einen Christbaum auf dem Marktplatz aufstellen. Osnabrück rühmt sich, die größte Weihnachtsspieldose der Welt zu besitzen. Seit 1999 drehen sich lebensgroße Figuren zur Weihnachtsmusik. Mit dem größten Schwibbogen wirbt Villingen, Dortmund mit dem größten Weihnachtsbaum (40 Meter), Frankfurt am Main mit den meisten Besuchern (drei Millionen), Velden am Wörthersee mit dem größten schwimmenden Adventskranz – Durchmesser 25 Meter, 80.000 Lichter – und Kaufbeuren mit dem größten echten Adventskranz der Welt.

Der größte und schönste Weihnachts- und Christchindli-Märt der Schweiz ist nach Ansicht der Bürger von Bremgarten „mit Abstand“ in ihrer Kleinstadt zu finden. Die Zürcher schwören auf die Vielzahl ihrer Weihnachtsmärkte und insbesondere auf den Christkindlimarkt im Hauptbahnhof, den größten Indoor-Weihnachtsmarkt Europas.

Das Weindorf St. Pauls in der Weinbaugemeinde Eppan verwandelt sich im Advent in Südtirols größte Krippenausstellung. Überall, hinter den Fenstern, in Erkern, Nischen und Ecken der historischen Häuser sind Krippen verschiedenster Formen und Stile aufgestellt. Für die Salzburger ist der eigene Christkindlmarkt der schönste Österreichs, schließlich sei er traditionsreich, einzigartig und in aller Welt bekannt.

Hanau verweist auf eine wissenschaftliche Vergleichsstudie der Fachhochschule Südwestfalen unter 133 deutschen Städten, nach der Hanau den „weihnachtlichsten Weihnachtsmarkt“ besitzt. Stolz sind die Stadtväter auf die Spitzenwerte in den Kategorien „Erlebniswert“, „Gemütlichkeit“ und „wenig kommerziell“. Die Ettenheimer sprechen vom „vermutlich größten Lebkuchen-Knusperhäuschen“ Deutschlands. Denn auch die Ostfriesen behaupten, das größte Knusperhaus der Republik zu besitzen. Im Gegensatz zu Ettenheim, wo Lebkuchen und Knabbereien gegen einen geringen Betrag genascht werden dürfen, ist die mit einer bunten Folie überzogene Markthalle in Aurich aber ungenießbar. Echte Leckereien gibt es nur im Inneren.

Mit zwei Superlativen wirbt die Festung Königstein in der Sächsischen Schweiz um Aufmerksamkeit. Sie berge den mit 112 Metern längsten Adventskalender an der ältesten erhaltenen Kaserne Deutschlands. Wo einst Soldaten mit ihren Familien lebten, wird an jedem Dezembertag ein beleuchtetes Fenster geöffnet. Ganz eilig hatte es man in Bonn, wo der Weihnachtsmarkt bereits am 22. November öffnete, also vor Totensonntag.

www.weihnachtsmarkt-deutschland.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen