© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Die Kreatur von Jekyll Island
US-Notenbank: Vor hundert Jahren entstand per Gesetz das heute mächtigste Zentralbanksystem der Welt / Geldhoheit an Privatbanken delegiert
Mario Kandil

Bilderberger, Trilaterale Kommission oder die Group of Thirty – sie alle sind legendenumwoben, doch keine Institution ist zugleich so mächtig wie das hundertjährige Federal Reserve System (Fed) – die Notenbank der USA. Dabei verlief das Gesetzgebungsverfahren für den Federal Reserve Act transparent ab. Beide Kammern des US-Kongresses stimmten nach monatelangen Anhörungen und Abstimmungen mit überwältigender Mehrheit zu. Am 23. Dezember 1913 setzte der demokratische Präsident Woodrow Wilson das Gesetz mit seiner Unterschrift in Kraft.

Weit weniger durchsichtig ist die Vorgeschichte der Fed. Der US-Dollar war bereits seit 1785 die Währung der Vereinigten Staaten. Bis 1811 fungierte die private First Bank of the United States in Philadelphia als Notenbank. Ihr folgte die zu einem Fünftel in Regierungsbesitz befindliche Second Bank, die 1836 – nach Betrugs- und Korruptionsaffären – ihren Notenbankstatus verlor und 1841 liquidiert wurde.

Der staatliche Finanzbedarf im 1861 ausgebrochenen Bürgerkrieg beendete dann die „Free Bank“-Ära und beförderte in den Jahren bis 1864 die Legal Tender und National Bank Acts zur Schaffung von US-Nationalbanken. Sie durften vom US-Finanzministerium abgesicherte und gedruckte grüne Banknoten ausgeben – aus 150 Millionen wurden bald 450 Millionen Dollar in „Greenbacks“.

Das verfolgte Ziel einer einheitlichen Währung in allen Bundesstaaten wurde damit erreicht – doch das Vertrauen in den Papierdollar schwankte stark. Auf den Bürgerkrieg folgten Krisen und Bankzusammenbrüche. Der Gold Standard Act von 1900 verordnete schließlich einen Fixkurs von 20,67 Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm). Doch die Börsenkrisen nahmen kein Ende.

Das durch Gerüchte befeuerte Ende der Knickerbocker Trust Company und die darauffolgende legendäre „Bankers’ Panic“ vom Herbst 1907 überzeugten wichtige US-Politiker davon, was Bankchefs wie der aus Frankfurt/Main stammende Jacob Schiff (Kuhn, Loeb & Co.) seit Jahren energisch forderten: wie in den europäischen Ländern einer Zentralbank die Kontrolle über die Kreditbeschaffung zuzugestehen.

Der Kongreß berief zur Vorbereitung 1908 die National Monetary Commission, die bis 1912 unter Leitung des republikanischen Senatsführers Nelson Aldrich 30 Reporte erstellte. Zugleich untersuchte der Wirtschaftsanwalt Samuel Untermyer für das Pujo-Komitee den Einfluß des „Money Trust“ auf die Wirtschaft. Das entscheidende Geheimtreffen fand allerdings weit ab von Washington statt, auf einer Insel vor der Küste Georgias: Im November 1910 trafen sich im Jekyll Island Club Senator Aldrich (Schwiegervater von John Rockefeller jr.) und Vizefinanzminister Piatt Andrew mit fünf Großbankern: Henry Davison (JP Morgan), Charles Norton (First National Bank of New York, heute Citigroup), Benjamin Strong (Bankers Trust/JP Morgan), Frank Vanderlip (National City Bank/Rockefeller) und Paul Warburg (Kuhn, Loeb & Co., 1977 von Lehman Brothers übernommen). Warburg, der in Hamburg geborene Sproß einer Bankendynastie, hatte bereits Jahre zuvor Pläne einer Zentralbank ausgearbeitet. Details des Treffens verarbeitete der US-Autor Eustace Mullins 1954 in seinem umstrittenen Buch „The Secrets of The Federal Reserve“. G. Edward Griffin von der rechtslibertären John Birch Society konzentriert sich in seiner Analyse der „Kreatur von Jekyll Island“ vor allem auf die wirtschaftspolitischen Aspekte.

Doch das Fed-Gesetz, das Untermyer entscheidend mitformulierte, mußte zunächst warten. Präsident William Taft, der mit 90 Anti-Trust-Regulierungen dem US-„Big Business“ Einhalt gebieten wollte, widersetzte sich den Jekyll-Island-Plänen. Der Republikaner leistete jedoch indirekte Vorarbeit: Mit dem unter ihm eingeführten 16. Zusatzartikel zur US-Verfassung erhielt der Kongreß das Recht, Bundeseinkommensteuern zu erheben. Das erleichterte es, die Geldhoheit an die Privatbanken zu delegieren.

Mit Wilsons Einzug ins Weiße Haus stand dem Fed-Gesetz nichts mehr entgegen. Ab 1914 entstand das System aus zwölf Regionalbanken und einem Fed-Verwaltungsrat (Board of Governors) mit sieben Mitgliedern. Sie werden vom US-Präsidenten ausgewählt und vom Senat ernannt. Erster Fed-Chef war Vizefinanzmister Charles Hamlin. Benjamin Strong wurde Präsident der New Yorker Fed, der mächtigsten Regionalbank, die den Handel mit US-Staatsanleihen abwickelt und einen Großteil der Goldreserven einlagert. Seit 2009 hat William Dudley (zuvor Goldman Sachs) diesen Posten inne, weil Vorgänger Timothy Geithner als Barack Obamas Finanzminister in die Politik zurückkehrte.

Trotz des Staatseinflusses ist das Fed-System keine Staatsbank. Alle US-Banken, die national tätig sind, müssen sich laut Gesetz dem Fed-System anschließen. Etwa ein Drittel der privaten Geschäftsbanken sind derzeit Fed-Aktionäre. Ursprüngliche Aufgabe der Fed war, bei Finanzkrisen die Privatbanken mit genügend Dollars zu versorgen. Doch schon bald nach ihrer Gründung wurde die Fed kriegsverpflichtet, um ungedecktes „Fiat money“ bereitzustellen.

Strong verantwortete mit dem zweiten Fed-Chef William P. G. Harding die zeitweise Abkoppelung vom Goldstandard. Die Fed brachte nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg „Liberty Bonds“ (Kriegsanleihen) unters Volk, was die Inflation anheizte. In den zwanziger Jahren alimentierte die Fed den Börsenrausch – bis die Spekulationsblase am 25. Oktober 1929, dem „Schwarzen Freitag“, platzte. Die US-Notenbank erhöhte die Leitzinsen und verknappte so das Geld. Doch dem Tritt auf die finanzielle Bremse folgte Deflation: die Preise fielen, der Kapitalverkehr versiegte. 1931 begann die „Great Depression“, Präsident Herbert Hoover installierte 1932 den Bankenrettungsfonds RFC, der mit Fed-Milliarden faule Kredite und Papiere aufkaufte.

Um den so geschwächten Dollar zu stützen, erließ Franklin D. Roosevelt 1933 die Executive Order 6102 – das berüchtigte Goldbesitzverbot. Alle US-Bürger mußten ihr Gold für 20,67 Dollar pro Unze bei der Fed abliefern. Die neue Goldparität wurde bei 35 Dollar festgelegt. Die Goldbestände der Fed stiegen auf Kosten der Privaten, die bis auf eine Freigrenze von 100 Dollar teilenteignet wurden. Das Goldbesitzverbot wurde erst Ende 1974 aufgehoben.

Trotz des gewonnenen Zweiten Weltkriegs drückten die USA 1945 Staatsschulden von über 115 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung (BIP) – eine Quote, die selbst unter Obama noch nicht erreicht wurde. Die Fed drückte die Zinsen unter die Inflationsrate. Die finanzielle Repression zu Lasten der Sparer (JF 47/13 ) ließ den Schuldenberg real auf zwei Drittel des BIP abschmelzen. Wirtschaftsaufschwung, Vollbeschäftigung und mit der Inflation steigende Löhne hielten die US-Bürger bei Laune.

Präsident John F. Kennedy unternahm 1963 mit seiner Executive Order 11110 den Versuch, Silber-Dollars parallel zu den formal goldgedeckten Green Backs zu etablieren. Doch unter seinem Nachfolger Lyndon B. Johnson wurde dies nicht weiterverfolgt. Die einschneidendste Entscheidung traf dann Richard Nixon, der 1971 die Goldbindung aufhob.

Was die Fed in puncto Geldwertstabilität leistete, illustriert ein Blick auf die Preise von „Nathan’s“, dem berühmten Hot-Dog-Imbiß auf der New Yorker Coney Island: 1916 bekam man für 4,30 Dollar dort 86 Frankfurter. In den sechziger Jahren waren es nur noch zwölf. Im hundertsten Jahr der Fed ist es nur noch ein Würstchen. Dennoch ist der US-Dollar weiter die Weltreserve- und Handelswährung Nummer eins.

G. Edward Griffin: Die Kreatur von Jekyll Island – Die US-Notenbank Federal Reserve. Kopp-Verlag, Rottenburg 2006, gebunden, 672 Seiten, 14,95 Euro

Interaktive Geschichte der US-Fed: www.federalreservehistory.org federalreserve.gov

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