© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/13 / 13. Dezember 2013 u. 01/14 / 20. Dezember 2013

Am Fuße der Wartburg
Museum: Die umfangreichste Wagner-Sammlung nach Bayreuth ist in einer Villa in Eisenach zu besichtigen
Andreas Zöllner

Die Landschaft um Eisenach ist Richard Wagners Land. In den Hörselberg soll die Frau Venus den Heinrich Tannhäuser gelockt haben. Als der sinnlicher Lüste überdrüssig wurde, zog er auf die Wartburg. Dort prallte zum Sängerkrieg vor dem Angesicht des Landgrafen und der heiligen Elisabeth Tannhäusers Zügellosigkeit auf die Beherrschtheit des ritterlichen Minnedienstes der Herren Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide und anderer.

Auf der Wartburg wird seit vielen Jahren traditionell Wagners „Tannhäuser“ konzertant zur Aufführung gebracht. Unten im Tal, am Stadtrand unweit des „Gasthofs zum Löwen“, wo 1869 der Allgemeine Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterkongreß stattfand, befindet sich im Richard-Wagner-Museum die nach Bayreuth umfänglichste Sammlung zu dessen Leben und Werk.

Erbauen ließ die Neo-Renaissance-Villa im italienischen Stil der mecklenburgische Schriftsteller Fritz Reuter in den Jahren unmittelbar vor dem Eisenacher Parteitag. Während einer Kur in Eisenach wählte er den neuen Wohnort. In der Heimat wäre der Bau einer solch prunkvollen Villa nicht in Übereinstimmung mit seinem Ruf als Volksschriftsteller zu bringen gewesen. Diese Bautätigkeit wurde zum Ausgangspunkt für die Entstehung eines ganzen Villengebiets im Süden der Stadt. Reuter war Stammgast im „Löwen“, allerdings nicht um zu debattieren, sondern um unmäßig zu trinken. Seine politisch bewegte Zeit lag damals hinter ihm. Über den Burschenschafter wurde 1836 ein Todesurteil verhängt, das schließlich zu Festungshaft umgewandelt wurde.

Das wäre unzweifelhaft 1849 auch Wagners Schicksal geworden, hätte der sich nicht dem Zugriff durch Flucht zu entziehen gewußt. Nach seiner Entlassung 1840 brachte Reuter der Erfolg von Büchern wie „Ut mine Festungstid“ Tantiemen und Ansehen bei Schriftstellerkollegen. Gustav Freytag, Christian Andersen, Paul Heyse und Hoffmann von Fallersleben waren seine Gäste im Eisenacher Domizil. Theodor Fontane wurde er „krank“ gemeldet. In Wahrheit ließ Reuters beträchtliches Alkoholproblem ihn in regelmäßigen Abständen gesellschaftsunfähig werden. Er starb 1874 in Eisenach.

Nach dem Tod seiner Witwe 1894 ging die Villa an die Schiller-Stiftung zu Weimar. Im Jahr darauf kaufte es von dieser die Stadt Eisenach. Die treibende Kraft dazu war der Lexikon-Verleger Joseph Kürschner. Kürschner fädelte auch den Ankauf der Sammlung des Wiener Wagnerianers Nicolaus Oesterlein ein. Sie umfaßt Hunderte Autographen und Briefe Wagners, die handgeschriebene Partitur des „Rienzi“ aus der Uraufführungszeit mit vielen Randbemerkungen, eines seiner Klaviere, Tausende Bücher und Zeitungsausschnitte, Fotos, Theaterzettel, Billetts und Kuriosa.

Darunter findet sich auch ein Werbeblatt der „Richard-Wagner-Hallen. Feinste Weinstuben und Restaurant“ in der Marschallstraße 50 in der Dresdner Altstadt. Dort gibt es heute nicht einmal mehr den Straßenverlauf. Oesterlein soll während der Festspiele um den Grünen Hügel geschnürt sein, um achtlos weggeworfene Eintrittskarten aufzulesen. Seine Sammelwut brachte die Sammlung schließlich zum Erliegen. Die Mittel und Kräfte waren erschöpft. Alle Gegenstände hatte er in vier Bänden gewissenhaft katalogisiert.

In dieser Form trat die Sammlung in Eisenach im Juni 1897 an das Licht der Öffentlichkeit, als die erste Richard Wagner gewidmete Ausstellung im ältesten Museum der Stadt Eisenach. Hundert Jahre später wurde die Ausstellung im Erdgeschoß neu gestaltet. Im Geschoß darüber sind noch die originalen Wohnräume der Reuters zu besichtigen. Im Treppenhaus hängt ohne Beschriftung, aber unverkennbar in seinen Farben ein gewaltiger Schinken des österreichischen Malerfürsten Hans Makart (1840–1884). Das Bild gelangte dorthin aus dem Stadtschloß Eisenach. Es waren damals also auch die erlauchten Herren angesteckt von der Begeisterung für den Meister von Bayreuth.

Kontakt: Das Reuter-Wagner-Museum in Eisenach, Reuterweg 2, ist täglich außer montags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 4 Euro (ermäßigt 2 Euro). Telefon: 0 36 91 / 74 32 93

www.eisenach.de

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