© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Freizügigkeit und Nationalstaaten
Alles andere als schwach
Michael Paulwitz

Zu jeder Entmündigung gehören mindestens zwei: Gouvernanten und solche, die sich willig bevormunden lassen. Zu letzteren will der britische Premier David Cameron offenkundig nicht gehören. Wenn scheinbar sakrosankte EU-Prinzipien wie die uneingeschränkte Personenfreizügigkeit nationalen Interessen massiv zuwiderlaufen, gibt er diesen Vorrang und streicht beispielsweise neuzugezogenen EU-Bürgern die Sozialleistungen.

In Deutschland sollte das aufhorchen lassen. Zum einen, weil die Armutseinwanderung nach dem Wegfall der Beschränkungen für rumänische und bulgarische Bürger zum Jahreswechsel die deutschen Sozialsysteme noch weitaus massiver treffen dürfte als die britischen. Camerons Abschreckungsvorstoß empfiehlt sich schon von daher dringend zur Nachahmung.

Der britische Eigensinn exerziert beispielhaft vor, daß Brüssel nicht so allmächtig und die Nationalstaaten nicht so hilflos sind, wie es gemeinhin scheint. Die Staaten sind Herren der Verträge; ihre schleichende Entmachtung beruht auf der kollektiven Übereinkunft ihrer politischen Klassen, die eigenen Völker zu entmündigen, um bequemer herrschen zu können. Je mehr Regierungen ihren Souverän ernst nehmen und sich dem verweigern, desto wackeliger wird das Brüsseler Kartenhaus. Europa braucht zwei, drei, viele Camerons.

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