© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ohne #Aida ins neue Jahr
Marcus Schmidt

Da hatte sich Dorothee Bär zu früh gefreut. „Yesssss! Wir bekommen einen #Internetausschuß! Steter Tropfen ...“, verkündete sie am Tag der Regierungsbildung über den Kurznachrichtendienst Twitter. In der „Netzgemeinde“ erntete die CSU-Abgeordnete, die sich künftig als Parlamentarische Staatssekretärin im Verkehrsministerium um das Internet und die digitale Infrastruktur kümmern soll, umgehend positive Reaktionen.

Schnell etablierte sich auf Twitter ein eigener „Hashtag“ (#), also eine Art Schlagwort, mit dem entsprechende Beiträge zu dem Thema markiert werden. Der geplante „Ausschuß für Internet und digitale Agenda“ wurde hierfür kurz und griffig mit #AIDA abgekürzt.

Doch schon am Donnerstag vor Weihnachten dann die Ernüchterung. Am Ende des Tages, an dem im Bundestag die Einsetzung der ständigen Ausschüsse auf der Tagesordnung stand, fehlte auf der Liste mit den 22 Ausschüssen des Parlamentes das Gremium für Internet und digitale Agenda. Die Einsetzung wurde vorerst auf Februar verschoben. „Internet-Ausschuß: In Deinem Parlament nicht verfügbar. #aida #csu“, twitterte der Berliner SPD-Politiker Jonas Westphal und wies ausgerechnet der Partei von Dorothee Bär die Schuld zu. Sogleich kam der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek seiner Schwesterpartei zur Hilfe: „Und damit keine falschen Legenden gebildet werden: An der CSU liegt das nicht #AIDA #warteschleife“

Hintergrund der Hängepartie ist die nach wie vor ungeklärte Frage, welches Ressort eigentlich für Fragen des Internets und digitale Themen zuständig ist. Derzeit teilen sich fünf Ministerien die Zuständigkeit. Da es bislang anders als vielfach gefordert keinen Koordinator für diese Themen innerhalb der Bundesregierung gibt, wäre dem Internet-Ausschuß daher nur ein beratender Charakter zugekommen. Damit könnte er kaum Einfluß auf das Gesetzgebungsverfahren nehmen. Entscheidende Gesetzesvorlagen wie etwa die Vorratsdatenspeicherung wären stattdessen in den entsprechenden Fachausschüssen wie etwa dem Innenausschuß behandelt worden.

„Heute haben scheinbar auch die Fraktionen von CDU/CSU und SPD endlich gemerkt, daß der neue Ausschuß in der bislang angedachten Form so keinerlei Sinn macht“, bemerkte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz zur Entscheidung, den Internet-Ausschuß vorerst nicht einzusetzen. Und er ist pessimistisch, daß der Ausschuß tatsächlich wie nun geplant im Februar seine Arbeit aufnehmen kann. „Den Geburtsfehler des Ausschusses, die fehlende Koordinierung auf Regierungsseite, wird man nun aller Voraussicht nach nicht mehr ohne weiteres beheben können“, glaubt von Notz.

Hinter den Kulissen wird jetzt versucht, das politische Kompetenzgerangel rund um das Internet zu lösen und dem Internet-Ausschuß die notwendigen Zuständigkeiten zuzuweisen. Eins ist gewiß: Wenn eine Lösung gefunden worden ist, wird sie bestimmt als erstes über Twitter verkündet. #aida

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