© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Grüße aus Wien
Fremde Federn
Carl Gustav Ströhm

Als Wiener bin ich doch immer wieder überrascht, wie man mit der Geschichte dieser Stadt umgeht. Vor allem wie gern man sich mit den Federn anderer schmückt. Dieser Umstand wird einem immer bewußt, wenn man durch die verschiedenen Wiener Parks und Prachtstraßen schlendert. Da entdeckt man im Donaupark eine Büste des kubanischen Revolutionärs Che Guevara oder blickt in Meidling überrascht auf eine Stalin-Gedenktafel. „In diesem Haus wohnte im Jänner 1913 J. W. Stalin. Hier schrieb er das bedeutende Werk ‘Marxismus und nationale Frage’, liest man da und schaut dann auf die angebrachte Zusatztafel „Im Gedenken an die Opfer des Stalinismus“.

Der nächste Coup ist schon in Planung: Nun soll an der Wiener Ringstraße ein Nelson-Mandela-Platz geschaffen werden. Die Wiener haben halt ein „goldiges“ Herz. Andererseits stellt sich dann doch bei manchen ein Unbehagen ein. Denn die rot-grüne Stadtregierung will eines Wieners nicht mehr gedenken. Anstelle des Dr.-Karl-Lueger-Platzes soll nun der Nelson-Mandela-Platz entstehen.

Der ehemalige Bürgermeister ist im Gegensatz zu Mandela nicht mehr en vogue. Lueger war von 1897 bis 1910 der bedeutendste christlich-soziale Bürgermeister der Stadt Wien, dessen Amtszeit durch viele kommunale Großprojekte und den Bau großer Sozialeinrichtungen geprägt wurde. Für Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und die mit ihm verbundenen Grünen bleibt er aber nur der „Antisemit“, der den jungen Hitler in seiner Wiener Zeit beeinflußte.

Dem folgend meint der Initiator der Aktion Nelson-Mandela-Platz, Manfred Domschitz, daß Mandela im Gegensatz zum „Antisemiten Lueger“ ein Vorbild sei. Anders sieht das der Bezirksvorsteher des 19. Bezirks Adolf Tiller (ÖVP). Seiner Ansicht nach wäre Wien ohne Lueger bei wqeitem nicht so attraktiv: „Gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde hat er all die Prachtbauten entlang der Ringstraße errichten lassen.“ Doch die Zeichen stehen auf Bildersturz. Bereits vor gut zwei Jahren wurde der Dr.-Karl-Lueger-Ring in Universitätsring umgetauft.

Vorschlag: Wenn man schon dabei ist, den Ring umzubenennen, müßte man bei dem Sozialdemokraten Dr. Karl Renner anfangen, der 1938 den Anschluß öffentlich begrüßte. Und für den geplanten Mandela-Platz kann man schon einmal ein Zusatzschild in Auftrag geben – denn vor allem dessen Erbe erscheint auch nicht tadellos vor der Geschichte.

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