© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/14 / 03. Januar 2014

Blick in die Medien
Das IT-Recht gehört gründlich überarbeitet
Toni Roidl

Thomas Urmann dürfte sich zu einem der unbeliebtesten Menschen Deutschlands gemacht haben. Der Rechtsanwalt der Kanzlei U+C verschickte Ende letzten Jahres an Zehntausende Internetnutzer Forderungen von 250 Euro pro angeschautem Film wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung. Daß es hierbei um Erotikfilme geht spielt nur insofern eine Rolle, als daß die Abmahner darauf setzen können, daß sich viele der Abgemahnten nicht dagegen wehren, sondern lieber zahlen. Sie wollen diesen Streit nicht öffentlich austragen.

Möglich gemacht wurde die Aktion der Kanzlei durch einen Justiz-Skandal in Köln: Das dortige Landgericht hat die Telekom zur Herausgabe der Nutzerdaten gezwungen, weil die ahnungslosen Staatsjuristen die Plattform für eine jener kriminalisierten Tauschbörsen hielten. Urmann und Konsorten verschickten daraufhin ihre Abmahnungen und prahlten, dies sei erst der Anfang.

Dabei ist die einmalige Wiedergabe jedoch etwas völlig anderes als das Speichern (und Weiterverbreiten). Doch mit diesen Details kannte sich keiner der beteiligten Juristen aus, auch Abmahner Urmann nicht. Er wird von einem Rechtsanwalt seiner Abmahnopfer zitiert: „Fragen Sie mich nicht nach technischen Details, aber auf Wikipedia steht, daß nach dem Anschauen eines Streams nachher die Datei im temporären Ordner auf der Festplatte liegt.“

Die Urheberrechtsverletzung liegt also im automatischen Ablegen einer Kopie im Zwischenspeicher. Das ist so, als würde die Deutsche Verlagsanstalt Sie abmahnen, weil Ihnen jemand aus „Deutschland schafft sich ab“ vorgelesen hat und Sie den Inhalt nicht gleich wieder vergessen haben.

Der ganze Vorgang zeigt auf erschreckende Weise, daß das IT-Recht der technischen Entwicklung hoffungslos hinterherhinkt und die Gerichte keine kompetenten Juristen haben, die sachkundige Entscheidungen fällen können.

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