© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

Aufgeschnappt
Am Marsch vorbei
Matthias Bäkermann

Den Anfang machte Daniel Barenboim, als er am Neujahrstag im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins beim abschließenden Radetzkymarsch aufs Dirigieren verzichtete und stattdessen händeschüttelnd zwischen den Wiener Philharmonikern umherstolperte. Friedensbotschaft statt Zackigkeit sollte das wohl bedeuten, einhundert Jahre nach dem kriegerischen Schicksalsjahr 1914.

Soviel historisch korrekter Spürsinn reicht nicht aus, dachte man sich im niedersächsischen Braunschweig, wo einen Tag später das dortige Staatsorchester in der Stadthalle zum Neujahrskonzert aufspielte. Orchesterdirektor Martin Weller setzte durch, daß man hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht nur bewußt auf das beliebte Stück von Johann Strauß Vater, sondern grundsätzlich auf Marschmusik verzichtet. „Märsche sind geschrieben worden, um Soldaten Beine zu machen“, referierte der klassische Trompeter am Dienstag in der Braunschweiger Zeitung. „Diese Musik hat viel zum Hurra-Patriotismus beigetragen, mit dem sich die Freiwilligen in die ersten Massenschlachten gestürzt haben“, so Weller. Die pazifistische Neujahrsbotschaft habe man aber schon im vergangenen Jahr beim historischen Projekt „Braunschweig 1913“ ersonnen.

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