© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

Eine britische Studie prophezeit unaufhaltsamen Aufstieg Chinas
Wachstum geht anders
Markus Brandstetter

Als Henry Ford 1903 Geldgeber für seine Autofabrik suchte, fand er nur wenige, weil das Auto angeblich keine Zukunft hatte. Die Zukunft, lauteten die Prognosen der Fachleute, gehöre Kutschen, Pferden und der Eisenbahn. Deshalb müßten in allen amerikanischen Städten immer mehr Pferdeställe, Wassertränken, Haferspeicher, Bahnhöfe und Kohlenlager gebaut werden. Das Auto sei ein Spielzeug für Millionäre, die breite Masse würde auch in 100 Jahren noch mit dem Landauer fahren.

So daneben liegen viele Prognosen, die dadurch zustande kommen, daß ihre Autoren von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen, also das, was heute ist, mit irgendeinem Faktor multiplizieren und dann sagen: So wird die Zukunft werden. Dieses Gefühl, daß Vergangenheit und Gegenwart eher platt und linear in die Zukunft fortgeschrieben wurden, bekommt auch, wer den „World Economic League Table Report“ des britischen Centre for Economics and Business Research (Cebr) liest.

Was da nicht alles vorhergesagt wird: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von China werde das der USA im Jahr 2028 übertreffen, dasjenige Indiens werde das BIP Japans im selben Jahr einholen. Und: Großbritannien werde 2030 wirtschaftlich vor Deutschland liegen und nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft des Westens sein. Überhaupt wird es mit den Schwellenländern bis zum Schicksalsjahr 2028 mit Siebenmeilenstiefeln nach oben gehen. China ist dann die größte und leistungsstärkste Volkswirtschaft der Welt, Indien die Nummer drei, Mexiko die Nummer neun, die Türkei hat Frankreich überrundet und liegt auf Platz zwölf, während Nigeria, Ägypten, der Irak und die Philippinen unter den 30 größten Industrienationen der Welt rangieren.

Doch die 22 Cebr-Forscher um Douglas McWilliams (Gresham Professor of Commerce) ignorieren völlig, daß die Größe und Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft nicht durch die Bevölkerungsanzahl und auch nicht durch ihr heutiges Wachstum bestimmt wird, sondern maßgeblich durch Know-how, Patente, Technik, Erfahrung, erstklassige Universitäten, eine gut ausgebildete Bevölkerung, einen unternehmerischen Mittelstand, faire rechtliche Rahmenbedingungen, eine stabile Demokratie und ganz allgemein die Kultur eines hochentwickelten Industriestaates. Wirtschaftswachstum spielt sich nicht im luftleeren Raum ab.

China, Südkorea oder Mexiko sind vollkommen von Exporten in genau die Länder abhängig, die sie laut Cebr-Studie bald überrunden sollen. Chinesen und Inder verfügen zwar über jede Menge zugekaufter Technik, aber selbst erfunden und entwickelt haben sie in den vergangenen Jahrzehnten kaum etwas, von Ägypten, Nigeria oder dem Irak ganz zu schweigen. Wachstum geht anders!

www.cebr.com

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