© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

Knapp daneben
Man kann niemandem trauen
Karl Heinzen

Nicolas Anelka ist das enfant terrible des französischen Fußballs. Bei der Weltmeisterschaft in Südafrika löste er durch wüste Beschimpfungen des Nationaltrainers den „Eklat von Knysna“ aus und mußte vorzeitig die Heimreise antreten. Da er 2004 zum Islam konvertierte, war damit zu rechnen, daß er irgendwann auch politisch entgleisen würde. Diese Befürchtungen haben sich nun bestätigt. Bei einem Spiel seines Clubs West Bromwich Albion gegen den Premier-League-Konkurrenten West Ham United legte er die linke Hand auf den Bizeps des nach unten ausgestreckten rechten Arms und entbot damit den „Quenelle-Gruß“.

Dieser soll in Frankreich als Zeichen der Unbotmäßigkeit zwar weit verbreitet sein, über seine genaue politische Bedeutung gehen aber die Meinungen auseinander. Einige interpretieren ihn als eine Geste, die bloßen grundsätzlichen Protest gegen das Establishment zum Ausdruck bringt. Andere deuten ihn als Bekenntnis zu einer rechtsextremen Gesinnung. Für diese Sicht gibt es gute Gründe.

Nun nutzen Rechtsextreme auch noch völlig unbekannte Symbole, die erst einer Interpretation bedürfen.

Populär wurde der Quenelle-Gruß in Frankreich durch den Komiker Dieudonné M’bala M’bala. Dieser hat zwar afrikanische Wurzeln und war politisch einst links beheimatet. Heute gilt er jedoch als rechtsextremer Rassist und ist wegen einschlägiger Verbalattacken gegen Andersdenkende vorbestraft, so daß das französische Innenministerium über Auftrittsverbote nachdenkt. Anelkas Entschuldigung, er habe mit der Geste seinen Freund Dieudonné grüßen wollen, hat die Kritik nicht besänftigt, sondern angeheizt. Die Wachsamkeit gegenüber möglichen rechtsextremistischen Bedrohungen hat für alle europäischen Gesellschaften Priorität.

Der Fall Anelka zeigt, wie schwierig es heute ist, dieser Maxime gerecht zu werden. Man kann niemandem trauen, nicht einmal Menschen mit Migrationshintergrund. Es ist schlimm genug, daß sich Rechtsextremisten nicht mehr an ihren Worten oder Taten erkennen lassen und sie daher aufwendig enttarnt werden müssen. Nun nutzen sie offenbar auch noch unbekannte Symbole, die erst einer Interpretation bedürfen, weil sie diese hartnäckig verschweigen.

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