© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

JP Morgan Chase und der Betrüger Madoff
Befreiungsschlag
Markus Brandstetter

Wir gehen mal ganz kurz ins Jahr 2009 zurück. Da wurde der amerikanische Börsenhändler und Vermögensverwalter Bernard Madoff zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er in dreißig Jahren Tausende betuchter Kunden teilweise um ihr ganzes Vermögen gebracht hatte. Insgesamt 19 Milliarden US-Dollar lösten sich durch Madoffs betrügerische Börsentransaktionen in Luft auf. Prominente wie der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel, Krankenhäuser, vermögende Pensionäre aus allen Ecken der Welt, berühmte Universitäten und Stiftungen, die sämtlich ihr Vermögen bei Madoff sicher wie in Abrahams Schoß geglaubt hatten, verloren fast alles.

Das Unangenehme an einem betrügerischen Investor ist, daß man ihn von einem ehrlichen kaum unterscheiden kann. Ein Anlagebetrüger trägt dieselben Maßanzüge, dieselben italienischen Lederschuhe und Seidenkrawatten, fährt die gleichen Nobelkarossen, besitzt die gleichen Häuser und Jachten wie sein ehrlicher Kollege. Und wer über Jahrzehnte hinweg erfolgreich so tut, als sei er ein Börsenhändler und Finanzier der Extraklasse, der macht mit genau denselben Banken Geschäfte, mit denen seine ehrlichen Kollegen auch Geschäfte machen. In den 1990er Jahren war Madoff einer der größten amerikanischen Börsenhändler, zeitweise liefen 15 Prozent der täglichen Transaktionen an der New Yorker Börse, der größten der Welt, für und auf Rechnung von Madoff. Wer in solch großem Stil handelt, der wird die Geschäfte nicht über eine kleine Privatbank oder die Sparkasse im nächsten Einkaufszentrum laufen lassen – nein, der wird mit den größten und reputierlichsten Bankhäusern der Welt zusammenarbeiten. Genau das hat Madoff getan.

Eine von Madoffs Hausbanken war JP Morgan Chase. Die hat nun einen Vergleich mit der Staatsanwaltschaft des Staates New York geschlossen, in dem sie sich verpflichtet, 1,7 Milliarden US-Dollar an den amerikanischen Staat zu bezahlen. Madoff unterhielt zwei Girokonten bei JP Morgan, über welche enorme Summe flossen. JP Morgan hätte, wie die amerikanischen Untersuchungsrichter nun sagen, erstens wissen müssen, daß Madoff über diese Konten betrügerische Geschäfte abwickelt, und zweitens hätte die Bank diese Geschäfte an die Behörden melden müssen.

Dieses Urteil wird Balsam auf die Seelen der Geschädigten sein, es erklärt aber nicht, wie es möglich war, daß die amerikanische Börsenaufsicht, die Bankenaufsicht und zahlreiche staatliche Stellen über Jahre immer wieder Berichte über Madoffs Betrügereien erhalten hatten, jedoch nie darauf reagiert hatten. Von Privatbanken wie JP Morgan nun zu verlangen, daß sie alles über ihre Kunden und deren Geschäfte wissen, wie die Staatsanwaltschaft das getan hat, ist das eine – selber nie auf Anzeigen reagieren und 20 Jahre lang wegschauen ist das andere. Die Madoff-Opfer können sich nun aussuchen, wer der größere Schurke war.

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