© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Nach den Regeln der Verzweiflung
Die Historikerin Beatrice Heuser hat ein eindrucksvolles Werk über den Partisanenkrieg vorgelegt
Hans-Joachim von Leesen

Jahrelang haben die aufeinander folgenden Bundesregierungen den Deutschen einzureden versucht, unser Land sei in Afghanistan keinesweg in einen Krieg verwickelt. Höchstens könne man, so verlautbarten die Verteidigungspolitiker, von einem „kriegsähnlichen Zustand“ in einem fernen Land sprechen, und Gefallene gäbe es unter den Tausenden von Soldaten schon gar nicht; lediglich einige seien „ums Leben gekommen“. Die Tatsache, daß Bundeswehrsoldaten sehr wohl in einen Krieg verwickelt waren und Gefallene zu beklagen hatten, wurde zumindest seit 2012 peu à peu eingestanden.

Die deutsche, jetzt an der britischen Universität Reading forschende und lehrende Historikerin Beatrice Heuser hat in einem umfangreichen Werk nüchtern Kriegsformen des asymmetrischen Krieges von der Antike bis heute dargestellt und will so zum Verständnis des Krieges im allgemeinen beitragen. Sie versteht ihre Arbeit als Fortsetzung des großen preußischen Generals und Militärtheoretikers Carl von Clausewitz, dem Begründer der modernen Kriegslehre.

Niemand wird zögern, die bewaffnete Auseinandersetzung zweier Staaten mit Hilfe ihrer Armeen als Krieg zu bezeichnen. Legitime Parteien fechten dabei nach anerkannten Regeln den offenen Kampf der Armeen um den Sieg aus. Immer weniger aber können die Kriegführenden so eindeutig die Bezeichnung „Krieg“ für ihre militärischen Konflikte auf sich ziehen, zumal wenn die andere Partei auf Anhieb nicht zu erkennen ist, sondern sich unter Bürgern und Bauern verbirgt und nur gelegentlich kämpfend in Erscheinung tritt, um dann sofort wieder in die zivile Welt abzutauchen.

In Deutschland wird man zunächst an die Kämpfe der sowjetischen und jugoslawischen Partisanen gegen die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg denken, die eine grundlegende Veränderung der Kriegführung bewirkten. Neu war eigentlich nichts an diesen Kämpfen einer regulären Truppe gegen eine deutlich schwächere Partisanengruppe, die nur unter größten Anstrengungen zu besiegen war.

Beatrice Heuser unternimmt einen Ausblick in die Antike und meint, bereits dort bei Römern und Germanen partisanenähnliche Kriegsformen vorgefunden zu haben, bei denen es nur mühsam möglich war, die Angriffe der irregulären Streitkräfte abzuwehren, obwohl sie viel kleiner, dafür aber wendiger und schneller als die Legionen waren. Diese Kriegsform bildete sich weiter und firmiert heute in der Kriegswissenschaft unter dem Begriff asymmetrischer Kriege. Dabei blieben ihre Grundzüge weitgehend gleich.

Der Partisanenkrieg wurde lange unterschätzt

In der modernen Zeit erlebten deutsche Truppen das Auftreten von Freischärlem zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges, als französische Zivilisten in die Kämpfe eingriffen, was von den deutschen Militärs als infam und heimtückisch empfunden wurde und sie zu radikalen Maßnähmen gegen die „Franktireurs“ veranlaßte.

Immer wieder befaßten sich in der Folgezeit Militärtheoretiker mit der neuen Art der Kriegführung, wobei bemerkenswert war, daß kaum entsprechende Arbeiten aus der Feder deutscher Soldaten und Wissenschaftler vorliegen. So vernachlässigte man die Erforschung der asymmetrischen Kriegführung. Lobend erwähnt die Autorin lediglich das 1935 erschienene offenbar einzige moderne grundlegende Werk aus der Feder des deutschen Militäranalytikers und ehemaligen Wehrmachtoffiziers Arthur Ehrhardt „Kleinkrieg. Die geschichtlichen Erfahrungen und künftige Möglichkeiten“ als frei von Ideologie, von dem sich allerdings die deutsche Führung nicht anregen ließ, die Wehrmacht auf eventuelle Partisanenkriege vorzubereiten. Übrigens wurde dieser Spezialist für den Kleinkrieg nicht zum Aufbau des Volkssturms abgestellt, wie die Autorin meint, sondern für den „Werwolf“, der von der deutschen Seite geplante Partisanenorganisation nach der alliierten Besatzung.

In der Sowjetunion wurden schon in den zwanziger Jahren Schulen zur Ausbildung von Partisanenführern zur Verteidigung des Landes eingerichtet, doch änderte sich das Konzept nach einigen Jahren, weil von da an die Rote Armee eine Offensivstrategie für den Krieg anstrebte (auch „offensive Verteidigung“ genannt), die sich auf feindlichem Boden abspielen sollte. So konnte Stalin schon wenige Tage nach Beginn des deutschen Einmarsches seine Direktive P 905 veröffentlichen, nach der unverzüglich Sabotagetrupps und Terrorkommandos mit Hilfe der Partisanen aufgestellt werden sollten, die vor allem dafür sorgen sollten, daß der einrückende Gegner nur noch verbrannte Erde vorfand. Allerdings hatte der Befehl zu Beginn nur ein geringes Echo, weil weite Kreise der Bevölkerung, verursacht durch die kommunistischen Terrormethoden, antibolschewistisch eingestellt waren. Erst die verfehlte deutsche Besatzungspolitik machte es den Partisanen leichter, Unterstützung in der Bevölkerung zu generieren.

Großbritannien organisierte im Zweiten Weltkrieg im Rahmen der „Special Operations Executiv“ Partisanenbewegungen in den meisten von Deutschland besetzten Ländern, doch erfährt man darüber im Buch leider nichts. Während des Kalten Krieges bemühten sich Großbritannien und die USA, in den vom Kommunismus beherrschten Ländern Volksaufstände anzuzetteln, nicht zuletzt durch die mediale Unterstützung mit Rundfunksendungen. Insgesamt waren sie dabei aber wenig erfolgreich.

Postkoloniale Kriege waren allesamt asymmetrisch

Die kolonialen Aufstände bzw. späteren Unabhängigkeitskriege in Afrika und Asien, allesamt den Partisanenkriegen zuzuordnen, die sich gegen die ehemaligen Kolonialherren (und Sieger des Zweiten Weltkrieges) richteten, waren nur schwer von den regulären Kräften in den Griff zu bekommen und arteten fast überall in Blutbädern aus, so unter anderem in Algerien, Kenia, Indonesien, Indochina, wo Regeln des Kriegsvölkerrechtes bald genausowenig galten wie die Unterscheidung von Kombattanten und Nonkombattanten. Auch die Kriege in Afghanistan – sowohl gegen die Sowjet-union nach 1979 als auch gegen die US-Amerikaner und ihre Verbündeten nach 2001 – waren im Grunde nichts anderes als asymmetrische Kriege. Und überall galt die Grunderkenntnis, daß Soldaten sich erst selbst in Partisanen verwandeln müssen, wenn sie sich in solchen Kriegen durchsetzen wollen. Interessant ist in diesem Zusammenhang jene These von Heuser, die den gegen Zivilisten gerichteten Luftkrieg als „Billigversion“ in die asymmetrische Kampfführung einordnet und daraus neue Erkenntnisse gewinnt.

Die Historikerin hat ein überaus kenntnisreiches, klug konzipiertes Buch vorgelegt, das heute – im Gegensatz zur Wehrmachtsführung der dreißiger Jahre – wachste Aufmerksamkeit der für Deutschlands und Europas Verteidigung zuständigen Fachleute verdient hätte.

Beatrice Heuser: Rebellen, Partisanen, Guerilleros. Asymmetrische Kriege von der Antike bis heute. Schöningh Verlag, Paderborn 2013, gebunden, 308 Seiten, 34,90 Euro

Foto: Griechische Partisanin der linken ELAS-Armee, die nach 1945 einen jahrelangen Bürgerkrieg gegen die pro-westliche Regierung in Athen führte: Der asymmetrische Krieg als Trumpf der Schwachen

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