© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Blockierer und Ordner gesucht
Zerstörung Dresdens: Vor den Gedenkveranstaltungen rund um den 13. Februar streitet die Elbmetropole um das richtige Konzept
Paul Leonhard

Antifa und Linkspartei werben um Spenden. Mit dem Geld sollen Rechtsextremisten blockiert werden, denn das kostet. Infrastruktur und Versorgung am Aktionstag müssen organisiert, Künstler betreut, Prozeßkosten bezahlt und vor allem Busse gechartert werden. Denn ohne diese können keine Blockierer in die sächsische Landeshauptstadt transportiert werden, und ohne diese gibt es keine guten Bilder.

In Dresden laufen wieder die Vorbereitungen für eine die Innenstadt umschließende Menschenkette auf Hochtouren. Schließlich naht der 13. Februar, der Jahrestag der Zerstörung der Kulturstadt Dresden durch angloamerikanische Bombenangriffe 1945. Seit Wochen wirbt die Verwaltung mit knapp 800 Plakaten, 7.500 Postkarten und über das Fahrgastfernsehen in Straßenbahnen und Bussen für eine Teilnahme an der Menschenkette. Außerdem werden dringend Ordner gesucht.

Das einst stille Gedenken der Dresdner an die Zehntausenden Opfer der Bombennacht ist längst zu einer hochpolitischen Veranstaltung geworden. Unter dem Motto „Mit Mut, Respekt und Toleranz“ rufen in diesem Jahr Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU), Stadtrat sowie zahlreiche Vereine und Institutionen zur Erinnerung an „die Opfer von Nationalsozialismus und Krieg“ auf. Während in der Erklärung versichert wird, daß alle Unterzeichner der „Respekt vor der Würde jedes Menschen und das Eintreten für eine demokratische Gesellschaft“ eine, wird gleichzeitig in dem Paper für eine Menschenkette als Zeichen „im friedlichen und gewaltfreien Widerstand gegen Rechtsextremisten“ geworben.

Erstmals gemeinsam rufen Deutscher Gewerkschaftsbund und die evangelischen Kirchen in Dresden zum friedlichen Protest gegen „Neonazis“ auf. Auch mehr als hundert Kirchenvertreter, Wissenschaftler und Politiker, darunter Claudia Roth (Grüne), Petra Pau (Linkspartei), Wolfgang Thierse (SPD) und die Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags, Ellen Ueberschär, haben zu Protesten und einem „christlichen Blockadepunkt“ der Aktion Sühnezeichen gegen eine mögliche Demonstration von Rechtsextremisten in Dresden aufgerufen. Das Bündnis „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“ mobilisiert erneut für einen „wirksamen Protest gegen den geplanten Aufmarsch der extremen Rechten“.

Nachdem das von der Stadtverwaltung als rechtsextrem eingeschätzte „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ mitgeteilt hatte, keine Demonstration anmelden zu wollen, da „die Erfahrungen der vergangenen Jahre“ deutlich gemacht hätten, daß „ein Aufzug auch 2014 unmöglich gemacht werden wird“, sorgt die Anmeldung einer Kundgebung auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche für Aufregung. Lange Zeit glaubte sich Dresden durch das sächsische Versammlungsgesetz geschützt. Dieses sieht den Schutz von Orten von herausragender historischer Bedeutung vor, wie beispielsweise dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal oder eben dem Dresdner Neumarkt. Letztlich erwies sich das Gesetz aber als nicht rechtssicher. Deswegen feilt das Ordnungsamt nun an einer gerichtsfesten Begründung, denn daß eine Kundgebung von „Rechten“ verhindert werden soll, steht fest. Zwar habe jede Minderheit das Recht zu demonstrieren, sagt der Moderator der „AG 13. Februar“, Joachim Klose, aber „die Gesellschaft muß sich nicht alles gefallen lassen“. Es wäre furchtbar, wenn Rechtsextremisten an dem stillen Gedenken teilnehmen und auch Kerzen anzünden würden, findet Frauenkirchensprecherin Grit Jandura. Für Silvio Lang vom Bündnis „Dresden nazifrei“, gilt als erste Strategie, die „Rechtsextremisten nicht zum Neumarkt kommen zu lassen“; scheitere das, werde man zu reagieren wissen.

„Brauchen keine überheblichen Belehrer“

Indessen mehren sich die Proteste der Dresdner gegen den erneuten Mißbrauch des Gedenktages. Besonders das Kulturprogramm sorgt für Unmut. Man rede von politischem Engagement und gesellschaftlicher Verantwortung und mache das Gegenteil, heißt es in Internet-Reaktionen auf die Aktionen des Rathauses. Um diesem schrecklichen Kriegsereignis still zu gedenken, würden weder „krawallige Demonstranten noch überhebliche Belehrer anderer Völker und ihrer Präsidenten gebraucht“, schreibt ein Bürger. Und eine Dresdnerin fragt, was das wirkliche Ziel dieses „Klamauks“ ist und wann sich die Dresdner Bürger „endlich gegen diese unsäglichen Veranstaltungen um und am 13. Februar“ wehren. Ein anderer gibt seiner Wut Ausdruck, daß die Organisatoren „solcher schwachsinniger Veranstaltungen“ auch noch üppig mit Steuergeldern gefördert würden.

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