© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Maffersdorf ringt um Ferdinand Porsche
Tschechei: Geburtsort verbannt sämtliche Erinnerungen an den legendären Autobauer aus der Öffentlichkeit
Paul Leonhard

Auf Ferdinand Porsche waren die knapp 7.000 Einwohner des nordböhmischen Maffersdorf (Vratislavice) noch vor kurzem stolz. Schließlich war der berühmte Autokonstrukteur einer der ihren. Sie ehrten ihn mit einer Gedenktafel an seinem Geburtshaus, einem gläsernen „Denkmaltrakt“ im Kultur- und Bildungszentrum sowie mit einem offiziellen Hinweis an den Ortseingangstafeln.

So sollten der Tourismus angekurbelt, Verehrer des genialen Technikers und insbesondere Porsche-Fahrer aus der ganzen Welt in den unbedeuteten Ort gelockt werden, der heute ein Ortsteil von Reichenberg (Liberec) ist. Proteste gegen die „Glorifizierung“ eines NSDAP-Mitglieds und SS-Manns verhallten lange weitgehend ungehört.

Maffersdorf war stolz auf den „bekannten Landsmann“, der rasch vom Klempnerlehrling zum Generaldirektor des größten österreichischen Automobilwerkes aufstieg, aber trotzdem seinem Geburtsort verbunden blieb. Porsche gehörte zwar der großen Welt. Es existiert sogar ein Foto aus dem Jahr 1902, auf dem er mit einem selbstgebauten Auto vor dem Haus seiner Eltern posiert.

Seit Ende Dezember 2013 gilt Porsche im offiziellen Vratislavice nichts mehr. Auf der örtlichen Internetseite findet sich keine Spur mehr. Auf den Zufahrtsstraßen sind alle Hinweisschilder auf den Konstrukteur verschwunden. Veranlaßt hat das der neue Bürgermeister Alex Preisler auf Druck der Jüdischen Gemeinde Tschechiens und eines Vereins ehemaliger Widerstandskämpfer. Man habe „eine Klage wegen Verherrlichung des Nationalsozialismus“ befürchtet, zitieren mehrere Zeitungen Vizebürgermeister Vladimir Braun.

Porsche wird vorgeworfen, Hitlers Lieblingskonstrukteur, Mitglied der NSDAP und der Allgemeinen SS gewesen zu sein sowie persönlich für die VW-Werke Zwangsarbeiter angefordert zu haben. Als Beweise für seine enge Verbindung zur NS-Führung werden auch Auszeichnungen wie der Deutsche Nationalpreis für Kunst und Wissenschaft, das Kriegsverdienstkreuz Erster Klasse und der Totenkopfring des Reichsführers SS angeführt. Und natürlich, daß Porsche 1934 – auf Druck Hitlers – seine tschechoslowakische Staatsbürgerschaft aufgegeben hatte. Zudem werfen die Aktivisten Porsche vor, dieser habe den Käfer bei den Tatra-Werken abgekupfert.

Unverdrossen zu Porsche und dessen Lebenswerk steht dagegen Milan Bumba. Der Präsident des örtlichen „Porsche Classic-Clubs“ hat einen offenen Brief an den Bürgermeister geschrieben und im Internet eine Petition veröffentlicht, die gegen den Umgang mit Porsche protestieren. Auch Zdenek Base, Porschefan und Mitglied im Porscheclub „Porsche 356 Registy“ fordert zum Widerstand auf. Er sei erstaunt über die Voreingenommenheit und das mangelnde Faktenwissen. Nachdem die Porsche AG ihre Leihwagen aus Maffersdorf abgezogen habe, gebe es nur noch den örtlichen Porsche-Club. Deswegen sei es gut, wenn weltweit nicht nur alle Porsche-Fahrer beim Bürgermeister per E-Mail protestieren würden: „Schreiben Sie an Vratislavice@vratislavice.cz.“

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