© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Zeitschriftenkritik: Gehirn und Geist
Die Vermessung des Geistes
Werner Olles

Der Wettlauf um die Entschlüsselung der „Geheimnisse des Gehirns“ hat bekanntlich seit langer Zeit begonnen. Inzwischen versuchen mehrere Großprojekte in den USA und auch in China das gesamte Netzwerk des menschlichen Gehirns zu kartieren, während das Ziel des von der EU geförderten „Human Brain Project“ (HBP) die Simulation sämtlicher Hirnvorgänge in besonders leistungsstarken Großrechnern ist. Gegen diese Versuche, die Rätsel des Gehirns zu knacken, wenden sich allerdings Wissenschaftler und Forscher, die nicht nur den hohen finanziellen Aufwand kritisieren, sondern auch zu bedenken geben, daß selbst die exakte Simulation eines einzigen Neurons bislang scheiterte und ein Erfolg daher zumindest fraglich sei.

Die zehnmal jährlich erscheinende Zeitschrift Gehirn und Geist (Untertitel „ Das Magazin für Psychologie und Hirnforschung“) befaßt sich im Schwerpunktthema ihrer aktuellen Ausgabe (Nr. 1-2/2014) mit der „Hirnoffensive“ von Amerikanern, Chinesen und Europäern und deren Initiativen. Tatsächlich geht es vor allem darum, das immer noch nicht entschlüsselte Geheimnis der menschlichen Individualität und Genialität zu lüften. So wollen die USA mit dem mit 40 Milliarden Dollar Fördergeld gestützten „Human Connectome Project“ (HCP) innerhalb von fünf Jahren eine dreidimensionale Landkarte des Gehirns erstellen, die die Verknüpfungen der Nervenzellen im menschlichen Denkapparat darstellt. Wenn dies gelingt, könnte dadurch beispielsweise geprüft werden, ob bestimmte Genvarianten, die das Risiko für Demenz oder die Alzheimererkrankung erhöhen, mit veränderten Mustern im Neuronennetzwerk einhergehen.

Das Ziel der europäischen Forscher und ihres HBP-Projektes ist hingegen alles, was bisher über das menschliche Gehirn bekannt ist – auf der Ebene von Molekülen, Zellen, neuronalen Schaltkreisen oder kompletten Hirnregionen –, im schnellsten Hochleistungsrechner der Welt im Jülicher Forschungszentrum zu erfassen. Man darf also trotz aller berechtigten Kritik an einzelnen Versuchen auf die Fortschritte der Hirnforschung und der Experimentalphysik bei der Vermessung des menschlichen Geistes in den nächsten Jahren und Jahrzehnten durchaus gespannt sein.

Dagegen geht es in der Psychologie und hier speziell bei der Frage, was gegen die leidige Herbst-Winter-Depression hilft, die vielen Menschen die dunkleren und naßkalten Jahreszeiten vergällt, weitaus entspannter und sicherlich auch erheblich kostengünstiger zu. Als Mittel der Wahl gilt inzwischen vor allem die Lichttherapie, bei der sich die Patienten jeden Morgen mindestens eine halbe Stunde vor eine Spezial-Lichtlampe mit einer Intensität von 5.000 bis 10.000 Lux setzen. Das extrem starke Licht bringt den Serotoninstoffwechsel und damit die innere Uhr wieder ins Gleichgewicht und hilft nach Aussagen von Medizinern bis zu neunzig Prozent der Betroffenen.

Kontakt: Verlag Spektrum der Wissenschaft, Postfach 10 48 40, 69038 Heidelberg. Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, ein Jahresabo 71 Euro.

www.gehirn-und-geist.de

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